: Und es darf doch gestreikt werden
ARBEITSRECHT Evangelische Kirche und Diakonie dürfen nicht mehr allen Beschäftigten verbieten, für faire Arbeitsbedingungen zu streiken. Die Gewerkschaft ist zufrieden, die Diakonie kündigt Revision an
JÜRGEN HÖWELMEYER, SOZIALARBEITER
Beschäftigten der evangelischen Kirche und der Diakonie darf das streiken für gerechte Arbeits- und Lohnbedingungen nicht verboten werden. Das hat am Donnerstag in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden und damit eine Klage von Kirchen und Diakonie in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gegen die Gewerkschaft Ver.di zurückgewiesen. „Wir freuen uns sehr über das Urteil“, sagt Annette Clausing von Ver.di Hannover.
Das Arbeitsgericht Bielefeld hatte Anfang März 2010 in erster Instanz noch im Sinne der Kirche geurteilt. Die Gewerkschaft legte Berufung ein, weil „das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und das garantierte Streikrecht nicht ausreichend gegeneinander abgewogen wurden“, sagt Clausing. Das Gericht begründete seine Entscheidung jetzt damit, dass in kirchlichen Einrichtungen auch Arbeitnehmer beschäftigt sind, deren Tätigkeiten nicht zum in christlicher Überzeugung geleisteten „Dienst am Nächsten“ zählen. Ein Ausschluss des Streikrechts sei daher unverhältnismäßig.
„Wir wollen, dass Diakonie und evangelische Kirche behandelt werden wie jeder andere Arbeitgeber auch – nicht besser und nicht schlechter“, sagt Clausing. „Schließlich greifen sie zu den gleichen Mitteln wie normale Unternehmen: Tarifflucht, Outsourcing und Leiharbeit.“
„Die Entscheidung des Gerichts ist nicht das Ende des Konflikts“, sagt Jürgen Höwelmeyer, seit 25 Jahren Sozialarbeiter bei der Jugendhilfe Birkenhof in Hannover. Er hatte 2009 die Warnstreiks mitorganisiert, die der Anlass für die juristische Auseinandersetzung waren. Das Urteil sei motivierend, sagt Höwelmeyer: „Ich will nicht länger Mitarbeiter zweiter Klasse sein und meine Rechte aufgeben, nur weil ich für einen kirchlichen Träger arbeite.“
Diakonie-Vertreter kündigten Revision beim Bundesarbeitsgericht an. Es wird damit gerechnet, dass der Streit am Ende vom Bundesverfassungsgericht entschieden wird. ILKA KREUTZTRÄGER