: Die Logik einer Ehe
Das grausame Geschehen in einer Zweierbeziehung: In Düsseldorf wird die „Treulose“ von Ingmar Bergmann uraufgeführt. Seltsam gedämpft erscheint die Geschichte, die Personen bleiben distanziert
VON REGINE MÜLLER
„Nichts ist bedeutender in jedem Zustande als die Dazwischenkunft eines Dritten“ ahnt Goethes Charlotte in den „Wahlverwandtschaften“, bevor die Dinge ihren fatalen Lauf nehmen. Liebesverwirrung und Partnertausch vergleicht Goethe mit der Logik chemischer Reaktionen. Eine kühle, gnadenlose Diagnose. Auch bei Ingmar Bergmann gibt es weder Ausweg noch Gnade. Die Beziehungs-Versuchsanordnung ist bei Bergmann jedoch meist leicht verschoben, psychoanalytisch zugespitzt und depressiv verschärft. Bergmann, der als Filmregisseur wie kein Zweiter die Hölle der Zweierbeziehung thematisierte und schonungslos ausleuchtete, schrieb 1997 ein Drehbuch mit dem Titel „Treulose“, das er als „Partitur für ein Bildmedium“ bezeichnete. Seine Lieblingsschauspielerin und zeitweilige Lebenspartnerin Liv Ullmann verfilmte das Skript bald darauf. Im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses kam der Text nun auf die Bühne.
Bergmanns Text ist ein Gedankenspiel, den er nicht nur aus einer Laune heraus als „Partitur“ bezeichnete. Auch ein „Bildmedium“ beschwor Bergmann nicht zufällig, denn die Idee des „Nahbilds“ war für ihn entscheidend. Aus dem Gedankenspiel, der kompositorischen Kombination von Motiven und der Nahaufnahme wird in Düsseldorf eine linear erzählte Geschichte, die Marianne, die Protagonistin auf der Bühne, mehr oder weniger stringent erzählt. Marianne ist Schauspielerin, glücklich verheiratet mit dem erfolgreichen Dirigenten Markus und hat mit ihm die gemeinsame Tochter Isabelle. David ist Regisseur, langjähriger Freund des Hauses und wird eines Tages aus einer Laune heraus der Liebhaber Mariannes. Die Affäre eskaliert, fliegt auf, die Ehe zerbricht. Die Trennung wird zum zähen Ringen, das Sorgerecht für die Tochter steht im Mittelpunkt des Machtkampfs, der Liebhaber ist krankhaft eifersüchtig, der betrogene Ehemann verbittert. Erst posthum kommt nach seinem Selbstmord ans Licht, dass auch er eine andauernde außereheliche Beziehung geführt hatte. Mit einer verheirateten Frau natürlich. Betrug, Selbstbetrug, Lüge und Depression und alles, was Woody Allen so an Bergmann liebt, kommt auf die Bühne.
Aber seltsam gedämpft, bisweilen beinahe parodistisch gebrochen, zeigt Regisseur Oliver Reese das grausame Geschehen, das er in einem aseptisch leeren, weißen Bühnenkasten spielen lässt. Esther Hausmann ist die gefasste, immer leicht unterkühlte Marianne, die zu ihrem eigenen Leben auf Distanz bleibt. Eine moderne Figur, die von Liv Ullmanns Gefühlstiefe wenig wissen will und wortreich doch letztlich sprachlos bleibt. Ihren Liebhaber David legt Markus Scheumann als nervösen, neurotischen, fahrigen Aufsager an. Er geht sich selbst maßlos auf die Nerven und ist überall zu viel. Damit rettet sich Scheumann vor dem Ernst seiner Rolle in manch wirksame, tragisch komische Pose. Unklar bleibt aber, was Marianne von diesem komischen Vogel überhaupt wollen kann. Wesentlich anziehender nämlich wirkt der Gatte, den Götz Schulte eher untertreibt.
Die einzige wirklich tragische Figur auf der Bühne ist Tochter Isabelle, die Kathleen Morgeneyer hinreißend spielt. Erst ist sie nur das kleine dürre Mädchen, das nicht weiß, wohin mit den zu langen Ärmchen, dann erzählt sie zunehmend grausame, wunderlich absurde Geschichten und Märchen, schließlich leidet sie wie ein misshandeltes, unschuldiges, doch treues Tier.
Morgen, 19:30 UhrInfos: 0211-369911