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Archiv-Artikel

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Bei den Eisbären Berlin läuft es in dieser Saison nicht rund – noch nicht. Der deutsche Eishockeymeister setzt auf Nachwuchsförderung und späte Neuverpflichtungen

„Im Dezember hat Köln gegen uns gewonnen. Langfristig haben wir gesiegt“

BERLIN taz ■ Peter John Lee ist ein Berufspendler zwischen Gegenwart und Zukunft. Als Manager der Eisbären Berlin trägt er sowohl für das Alltagsgeschäft als auch für die langfristige Strategieausrichtung des Eishockeyklubs Verantwortung.

In dieser Saison sah der Alltag für die Eisbären mitunter sehr trist aus. Im Frühherbst verlor der deutsche Meister achtmal hintereinander. Seitdem ist der Abstand zur Tabellenspitze trotz eines Aufwärtstrends in den letzten Wochen groß. So verwundert es nicht, dass Lee sich in die Zukunft flüchtet. „Mitte Dezember hat Köln gegen uns gewonnen. Langfristig gesehen haben aber wir gesiegt“, sagt Lee. Seine Mannschaft, erklärt er, wäre mit 13 vorwiegend deutschen Spielern angetreten, die noch keine 22 Jahre alt sind. Die Kölner dagegen hätten in dieser Altersklasse nur einen einzigen Akteur aufgeboten.

Die Eisbären sind das Team der Zukunft. Das ist Lees Botschaft. Zum wiederholten Male stellen sie das jüngste Team in der Deutschen Eishockeyliga (DEL). Und doch haben sie die letzten beiden deutschen Meistertitel gewonnen. Ein Fall von Frühreife? Einerseits ja. Andererseits sind die vielen begabten Nachwuchsspieler ein Ruhekissen für die Vereinsverantwortlichen. Die wirklichen Verstärkungen, die Spieler, die nicht in der nordamerikanischen National Hockey League (NHL) unterkommen, sind nämlich erst nach Beginn der DEL-Spielzeit zu haben. Die Eisbären können warten. Sie waren mit der Strategie der späten Verstärkungen äußerst erfolgreich.

Diese Saison ist bislang nicht zufrieden stellend verlaufen, räumt Manager John Lee ein. Dennoch entweicht ihm kein Wort der Kritik. Im Unterschied zu seinem Trainer Pierre Pagé, der in jüngster Vergangenheit öffentlich Spieler, Ko-Trainer und Manager angriff, ist er ein Verfechter der internen Auseinandersetzung. Er sagt: „Zu einer Entwicklung gehören gute und schlechte Zeiten.“ Man sei mit dem Konzept, Jungprofis selbst auszubilden und einzusetzen, eben auch ein Risiko eingegangen.

Der Plan auf eigene Nachwuchskräfte zu setzen, ist nicht wie vielerorts aus der finanziellen Not heraus geboren. Der Etat der Eisbären zählt zu der gehobenen Kategorie in der DEL. Die Berliner leben recht ordentlich von den Finanzspritzen des amerikanischen Unternehmers und Milliardärs Philip Anschutz, der den Verein 1999 übernahm. Anstoß für das Verjüngungskonzept, so Lee, waren die Bemühungen der DEL, die Ausländerkontingente der Teams zu beschränken. Vor sechs Jahren vergab die DEL noch 16 Ausländerlizenzen an die Vereine. Vor dieser Saison waren es nur noch 12. Lee kann sich vorstellen, dass man bis zur Weltmeisterschaft 2010 in Deutschland die Quote schrittweise auf sechs herunterschrauben wird. Die Eisbären sind darauf bestens vorbereitet. Sie haben ein zweites, professionell arbeitendes Team aufgebaut, die Eisbären Juniors, die seit 2004 in der Oberliga, der dritthöchsten Liga spielen. Hier werden Talente zwischen 18 und 25 Jahren zu DEL-Profis ausgebildet. Mit Hilfe von Förderlizenzen können zahlreiche Spieler sowohl in der DEL als auch in der Oberliga eingesetzt werden. Diese zweigleisige Struktur auf sportlich hohem Niveau ist einmalig in Deutschland.

Die Eisbären haben damit eine Lücke in der Profiausbildung geschlossen, die bei allen anderen Erstligaklubs noch besteht. Deren Talente spielen lediglich bis zu ihrem 18. Lebensjahr in der Deutschen Nachwuchsliga (DNL). Danach müssen sie zumeist den Verein verlassen, weil das sportliche Gefälle zur ersten Liga noch zu groß ist. Lange wird der strategische Vorsprung der Eisbären in der Nachwuchsarbeit gewiss nicht anhalten. Manager Lee weiß, dass die anderen – insbesondere Mannheim und Düsseldorf – dabei sind, ähnliche Strukturen aufzubauen. Lee sagt, ihn freue das, weil er sich davon eine stärkere deutsche Nationalmannschaft bei der WM im eigenen Land verspricht. Er betont: „Davon profitieren doch alle Teams. Das würde einen Boom in der Liga auslösen.“ Von den Eisbären wurden letzte Spielzeit bereits vier Jungprofis erstmals in die Nationalmannschaft berufen: Christoph Gawlik (19) und Florian Busch, Frank Hördler, André Rankel (alle 21 Jahre alt). Bei der gerade in Schweden stattfindenden U-20-WM stellen die Berliner mit acht Spielern fast ein Drittel des deutschen Kaders.

Für das Jahr 2008 hoffen die Eisbären auf einen stadtinternen Euphorieschub. Dann soll die Arena am Ostbahnhof fertig gestellt sein. Mit der 17.000 Zuschauer fassenden Halle könnte der Verein wirtschaftlich erheblich mehr bewegen, so Lee. Heute ist allerdings grauer DEL-Alltag im Wellblechpalast in Hohenschönhausen angesagt. Nach dem misslungenen Abstecher zum Einladungsturnier um den Spengler Cup in Davos, bei dem die Eisbären nur ein Spiel gewinnen konnten und Letzte wurden, ist DEL-Schlusslicht Duisburg zu Gast. JOHANNES KOPP