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Archiv-Artikel

Japanische Zackenlandschaft

MINIMAL-POP Einst war das Hamburger Trio „Stella“ eine typische Hamburger-Schule-Band. Nun haben die drei nach sechs Jahren ihr neues Album „Fukui“ vorgelegt – und der Nicht-Japaner versteht nur noch Bahnhof

Man mag diese Art von „Neuerfindung“ als nachteilig empfinden. Man muss es aber nicht

VON MICHAEL SAAGER

Die Gruppe „Stella“ gehörte schon immer zu den Schlaueren. Sängerin Elena Lange erzählte der Musikzeitschrift Intro vor ein paar Monaten, dass sich die Band, bei der auch Thies Mynther, Mense Reents und Hendrik Weber spielen, nie Illusionen über die Errungenschaften und Möglichkeiten parlamentarischer Demokratie gemacht habe. Kann man nachvollziehen.

Es ist eine Weile her, dass „Stella“ gegründet wurde: Das war 1995. Textlich waren sie eine typische Hamburger-Schule-Band, mit Faible für linke Pop- und Politikdiskurse. Auf Sex-Appeal, Stil und Glamour mochte man dennoch nicht verzichten. Das sorgte für ein paar Irritationen, und das sollte es wohl auch. Musikalisch handelte es sich bei Stella zuletzt um eine Indierockband auf dem Sprung zur elektronischen Tanzband. Electroclash? Böses Wort. Dann kam die Pause.

Heute machen Lange und die anderen andere Dinge. Sind schließlich schon sechs Jahre seit „Better Days Sounds Great“ vergangen. Lange war zwei Jahre in Japan, hat dort ihre Uni-Laufbahn verfolgt und singt nun auf dem neuen Album „Fukui“ Japanisch, was mädchenhaft charmant, zärtlich und zickig zugleich klingt. Und fremd: Man kriegt die Verbindung zur „alten“ Elena Lange nicht hin im Kopf. Stattdessen machen sich dort tradionelle japanische Mythen breit, oder popkulturelle Japan-Klischees. Oder: wer weiß das schon?

Die Musik schlägt einen scharf konturierten, wundervoll unterkühlten, hypnotischen Referenzbogen. Sie ist gemacht aus schlankem Neo-Electro – wie man ihn von „Dopplereffekt“, „Drexcyia“ oder den „Elektroids“ kennt –, abstrakterem Chicago House, Neuer Musik und elektronischem Krautrock. Aram Lintzel, Journalist und Autor des CD-Infozettels, schreibt, die japanischen Texte Langes sorgten für eine „künstliche Leere“, spricht von einem „produktiven Nicht-Verstehen“, das Fantasien in Gang setze. Da ist natürlich was dran.

Und weil man als Nicht-Japaner tatsächlich nur noch Bahnhof versteht, kann man sich deshalb umso besser auf die musikalische Zackenlandschaft konzentrieren. Langes fremdartiger, bedeutungsvoll bedeutungsfreier Gesang ist Teil dieser neuartigen Landschaft, und ist es vollkommen. Die Suche nach der Stimme in der Sprache, die Suche nach dem, was man Denken nennt, scheint so ausgesetzt – zunimdest für die Länge eines Albums. Ihren sozialen und politischen Ort, der bei „Stella“ nicht zuletzt an entsprechende textzentrierte Kommunikationen innerhalb der Musik gebunden war, ist die Band so natürlich gewissermaßen los. Man mag diese Art von „Neuerfindung“ daher als nachteilig empfinden. Man muss es aber überhaupt nicht. Auch wenn es anders gemeint sollte: Um eine allemal bemerkenswerte Taktik, der eigenen Vergangenheit und damit verbundenen Festschreibungen ein Schnippchen zu schlagen, handelt es sich nämlich allemal. Und um eine Platte, die man sich ganz hervorragend anhören kann, sowieso.

■ Sa, 29. 1., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66