: Sägen, mixen, hobeln
Mit seiner neuen Gerichtsmediziner-Serie „Post Mortem“ gelingt RTL ein annehmbares „CSI“-Imitat (20.15 Uhr)
Immer wenn man die Verwandtschaft am Stadtrand besucht, sprießt an der Ausfallstraße ein neuer Baumarkt aus dem Boden. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Privatsender auch daran schuld sind. Handanlegen, Ausprobieren, Nachmachen: Das gilt in zwei ihrer erfolgreichsten Programmsegmente, der Heimwerkersoap und dem Gerichtsmedizinerkrimi. Hier wie dort wird gehobelt, gemixt und gesägt. Schaltet man von einer der Renovier-Reportagen in eine der Pathologen-Serien, bietet sich dasselbe Bild – Menschen werkeln an toter Materie herum und erklären jeden einzelnen Handgriff so, dass ihn auch die ganz Dummen verstehen.
Das ist der Widerspruch, der den sagenhaften Erfolg der TV-Forensiker erklärt: Zeugt das Format eigentlich von Aufsplitterung der Wissensgesellschaft in immer neue Fachbereiche, werden die hier gezeigten Spezialisten doch zugleich ihres Spezialistentums beraubt. Schließlich sind ihre Geheimkenntnisse längst Allgemeinkenntnisse des Fernsehkonsumenten geworden. Kein Knochenpuzzle, das sich nicht mit ein bisschen gesundem Menschenverstand zusammensetzen ließe. Der Hobbybastler und Krimikenner darf sich beruhigt zurücklehnen: In der Pathologie wird auch nur mit Black & Decker gebohrt!
In „Post Mortem“, der jüngsten deutschen „CSI“-Variante, wird das besonders deutlich. Hannes Jaenicke zerlegt hier als Leiter des Kölner Instituts für Rechtsmedizin Leichen jedweden Verwesungsgrades. Dem Spezialisten sind noch mal eine Reihe von Spezialspezialisten unterstellt (Knochendrechsler, Leberzerleger etc.). Doch wenn es richtig knifflig wird, geht der Chef selbst in den Baumarkt, um sich ein großes Sortiment an Sägen zu beschaffen. Da sitzt er dann und spaltet kiloweise Koteletts, um herauszufinden, welches Sägeblatt der Mörder beim Tranchieren einer Kleinfamilie benutzt haben könnte.
Die Pilotfolge der neuen RTL-Reihe kommt also in angemessen expliziter Fleischlichkeit daher – und von den hiesigen „CSI“-Imitaten am überzeugendsten. Und doch fehlt ihm die kühle Akkuratesse der angelsächsischen Vorbilder. Das liegt vor allem daran, dass man hierzulande immer noch einmal erklären will, was eigentlich nur gezeigt zu werden braucht. Jaenickes Dr. Koch kommuniziert nicht nur mit den Toten, indem er ihren Körpern die entscheidenden Informationen entlockt – er kumpelt und seufzt: „Na komm schon, erzähl mir was!“
Auch sein Arbeitsethos breitet dieser Dr. Koch gerne aus. Einmal sieht man ihn nur als schwarze Silhouette, als er dem jungen unbeleckten Kollegen das Wesen der Gerichtsmedizin erklärt: „Toter Säugling oder toter Dealer – es ist nicht unser Job, zu beurteilen. Das macht die Justiz. Wir kümmern uns nur um die Fakten.“ Die trockene Tragik einer „Dr. Samantha Ryan“ und den kaltschnäuzigen Professionalismus der „CSI“-Mannschaft aber sucht man bei den RTL-Pathologen vergeblich. Es wird hier definitiv ein bisschen zu viel philosophiert und zu bedeutungsschwanger geguckt.
Beim Schnippeln, Bohren und Sägen schaut man den Damen und Herren in „Post Mortem“ trotzdem sehr gerne zu. Man muss dazu nicht mal Baumarkt-Junkie sein. CHRISTIAN BUSS