: Neuerfindung des Flugbootes
Zwei norddeutsche Firmen entwickeln Gleiter, die in wenigen Metern Höhe über dem Meer dahingleiten können. Dabei sind sie viel schneller als Schiffe und sparsamer als Flugzeuge
von Gernot Knödler
Der Effekt ist der gleiche, wie bei einem Geodreieck, das über einen Tisch saust: Es rutscht nicht, sondern schwebt in minimaler Höhe über die Platte und kommt dabei verblüffend weit. Verantwortlich dafür ist der so genannte Bodeneffekt (siehe Kasten), und den möchten sich nun zwei norddeutsche Firmen zu Nutze machen, um den Mittelstreckenverkehr übers Meer zu revolutionieren. Sie haben Flugboote entwickelt, die knapp über dem Wasser dahingleiten. Dabei sind sie vier- bis fünfmal schneller als Fähren und verbrauchen nur zwei Drittel des Treibstoffs, den ein Flugzeug benötigen würde.
Mit so genannten Bodeneffektfahrzeugen, Stauflüglern oder Wing-in-ground-crafts (Wig) wird schon seit Jahrzehnten experimentiert. Die Sowjetunion hat in den 60er- bis 90er Jahren eine Vielzahl von Modellen für den militärischen Gebrauch entwickelt und auf dem kaspischen Meer ausprobiert. Die größten von ihnen waren länger als ein Jumbo-Jet. Nach Recherchen des Baseler Leichtbau-Experten Hans Rudolf Manz sollten sie 500 Stundenkilometer schnell Truppen tragen oder als Raketenabschussrampen das Radar unterfliegen. Die urzeitlich aussehenden Flugzeuge bekamen den Spitznamen „caspian sea monsters“.
In Deutschland entwickelten die Ingenieure Alexander Lippisch und Hanno Fischer Flugboote. Auf ihren Vorarbeiten basieren der Sea-Falcon der Firma MTE Meerestechnik Engineering in Rostock-Warnemünde und das Projekt Flyship der gleichnamigen Hamburger Firma. MTE hat seinen Sea-Falcon SF 08 mit zwölf Metern Flügelspannweite im vergangenen Jahr gebaut. „Unsere Absicht ist es erstmal, mit dem Achtsitzer längere Erprobungseiten zu haben“, sagt Geschäftsführer Dieter Puls. Die Fertigung werde wahrscheinlich noch in diesem Jahr anlaufen. Das deutlich größere Hamburger Projekt betrachtet Puls mit Skepsis: „Das ist ein hehres Ziel, von acht auf 80 zu kommen.“ Die Hamburger haben zwar kleinere Prototypen gebaut, der Sprung in eine andere Größenkategorie bringt aber in der Regel Probleme mit sich. Das haben die deutschen Windkraftanlagenbauer ebenso erlebt wie Airbus mit dem Frachtflieger A 380.
„Wir haben die ganze Historie hinter uns“, sagt Flyship-Geschäftsführer Ulf-Dieter Ulken. Er plant ein Flugboot mit 37 Metern Spannweite und 80 Sitzen – Preis: 25 Millionen Dollar. Ein vergleichbarer Airbus A 318 kostet 45 Millionen Dollar. Das Know How liege vor, sagt Ulken: „Wir sind beim Konstruieren.“
Sein Flyship soll noch bei einer Wellenhöhe von 2,50 Metern starten können und eine Notlandung bei fünf Meter hohen Wellen verkraften. Bei rund 200 Stundenkilometern wären für Ulken 200 bis 300 Kilometer die ideale Reisedistanz. An- und ablegen würden die Flugboote einfach in einem Hafen. Sie müssten eine Mindestgröße haben, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. „Sonst“, sagt Ulken, „sind die 70 Prozent des Jahres im Hafen.“