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Archiv-Artikel

Feier ohne echte Freude

VIDEO Carla Dauden: WM-Kritik auf YouTube

BERLIN taz | Der Confederations Cup wurde 2013 von den größten brasilianischen Protesten seit Jahren überschattet. Carla Toledo Dauden gab dieser Bewegung eine Stimme, die weltweit gehört wurde. Mehr als 4 Millionen Mal wurde ihr YouTube-Video bis heute angeklickt. In sechs Minuten holte sie zum Rundumschlag aus: überteuerte, unnötige Stadionneubauten, Zwangsräumungen, Polizeigewalt. Schnell zusammengeschnitten, mundgerecht portioniert für die Internetgemeinde.

Jetzt arbeitet sie an einer Dokumentation über die WM und ist in den letzten Wochen viel gereist: Rio, Fortaleza, São Paulo, Salvador. Hat sich das im letzten Jahr von ihr gezeichnete Bild bestätigt? „Ich höre von allen Seiten, dass es eine großartige WM war, aber ein Spiel habe ich nicht gesehen. Das, was außerhalb der Stadien passiert ist, hat mich in meiner Meinung bestärkt“, sagt sie im taz-Interview. „Die Polizei ging gewalttätiger denn je gegen Demonstranten vor. Die Fifa zahlt keine Steuern. An der Privatisierung des Maracanã wurde trotz Protesten festgehalten“, erklärt die 24-Jährige. Es gebe jedoch auch positive Entwicklungen. So wehrten sich die Straßenverkäufer zum Teil erfolgreich gegen die Monopolisierung der Stände in Stadionnähe. Phänomene wie diese gingen jedoch immer von der Bewegung und nicht von der Regierung aus. Diese habe es nicht geschafft, eine Plattform für einen Dialog mit den Komitees über deren Reformvorschläge einzurichten. Bei all den Missständen, die sie aufzählt, schafft es Dauden, gut gelaunt zu wirken. Dabei hat sie Angst. Erst am Samstagmorgen sollen 60 Aktivisten ohne vorliegende Beweise aufs Polizeirevier gebracht worden seien. „Das sind für mich Anzeichen einer Diktatur“, sagt Dauden.

Die extreme Polizeigewalt habe auch dazu geführt, dass die Proteste verebbten. Hierzu trüge auch die Ignoranz brasilianischer Medien bei. „Im Fernsehen drehte sich alles um den Rücken von Neymar“, so Dauden. Das Medienunternehmen Globo verhielte sich zudem wie ein Cheerleader: „Es ging immer nur darum, wie toll diese WM ist.“ Aber war es nicht auch eine große Party? „Ja, ich habe viele feiernde Menschen getroffen, was schön war. Ich bin nur traurig, dass Fifa und Regierung mir diese Freude genommen haben.“ MARCO WEDIG

■ Interview auf www.taz.de