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Archiv-Artikel

VON BERÜHRUNGEN DURCH DIE MELODIE EINES FILMS UND HILFREICHEN ANRUFEN BEI „ULLRICH AM ZOO“ Begabte Männer, die ihr Talent verschwenden

VON DETLEF KUHLBRODT

Eigentlich möchte man Grundsätzliches sagen, endet dann aber doch immer im Allgemeinen oder Beschreibenden.

Es ist schwierig. Weshalb findet man das und das toll und ist es sinnvoll, davon zu sprechen? Egal. Filme enden nicht mit dem Abspann, sie setzen sich fort im eigenen Kopf und wollen da dann auch wieder raus.

Nach einem wunderschönen Film wie dem japanischen „FIT“ von Hirosue Hiromasa, der im Forumsprogramm lief, möchte man mit anderen sprechen, die auch in dem Film waren. Der Film ist rätselhaft, und die Rätsel, die er aufgibt, lassen sich besser mit anderen lösen. Auf eine tastende Art erzählt „FIT“ von Außenseitern, einem Jungen, der mit einer 3-D-Brille durchs Leben läuft und Ameisen als Haustiere hält, dem suizidalen Angestellten eines Versandhauses, der tagtäglich sein Spiegelbild beschwört, einer jungen Frau, die allein mit ihrem Hund lebt; der fragilen Schönheit der Abweichung und ihrer Gefährdetheit in einer Gesellschaft, die auf Normierung setzt.

Berührt von der Melodie des Films, möchte man sie mit anderen teilen und fühlt sich ein bisschen allein, wenn grad niemand da ist, den man kennt.

Bei anderen Filmen ist das aber auch nicht weiter schlimm. Nach „A Good Man, a Good Day“ zum Beispiel, der in der wunderbaren Shibuya-Minoru-Retrospektive gezeigt wurde, war ich einfach nur extrem gut gelaunt und rannte eine Weile mit einem blöden Grinsen durch die Gegend.

Über andere Filme hatte man sich schon unterhalten, bevor man sie gesehen hatte. Nein, andersrum: Wie jedes Jahr hatte ich beim Imbiss bei „Ullrich am Zoo“ gestanden, M. hatte angerufen und gesagt, ich solle mir unbedingt den indischen Film „Gandu“ anschauen, der dann auch wirklich toll war.

Wie soll man sagen? „Gandu“ ist ein dogma-orientierter Rock-’n’-Roll-Film aus Indien mit Punkelementen. „Gandu“ heißt so viel wie „Wichser“ oder „Arschloch“; im Film meint es jemanden, der begabt ist, sein Talent aber verschwendet.

Der gleichnamige 20-jährige Held des Films lebt in Kalkutta bei seiner Mutter, einer Prostituierten. Während sie mit Männern schläft, klaut er ihnen Geld aus der Brieftasche.

Er ist verpeilt, treibt sich herum und träumt davon, ein berühmter Rapper zu werden. Sein Freund, ein Rikschafahrer, der Bruce Lee als einen Gott verehrt, bringt ihn zum Heroin. Sie rauchen und träumen; der Held sagt: „In the town I can’t breathe, so I smoke.“

Gegen Ende des Films, als die beiden Helden ziemlich erledigt nach einem intensiven Rausch und ohne Geld nicht mehr weiterwissen, taucht rettend ein geheimnisvoller Mann auf. Man nennt ihn nur „Q“. Nie sah ihn jemand ohne Sonnenbrille. „He makes films and smokes a lot of hash.“ Gerade würde er an einem Film mit dem Titel „Gandu“ arbeiten. Da trifft es sich gut, dass Gandu ja schon hier ist. Q erklärt ihm sein Problem: Du singst obszöne Lieder, hast aber selber noch nie richtig gefickt. Das wird dann – in einer wirklich schönen expliziten Sexszene – nachgeholt.

Gefragt danach, ob die Eltern der Protagonisten diese Szene gesehen hätten, antwortete Kaushik Mukherjee (Q), der als Dokumentarfilmer bekannt wurde: „They are very nice people and we didn’t want them to die soon.“