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Archiv-Artikel

Keine Revolutionswürfel in Leipzig

DENKMAL Der Leipziger Stadtrat beendet die Ausschreibung für ein Leipziger Einheitsdenkmal: Der Siegerentwurf war zu umstritten. Jetzt soll der gesamte Prozess noch mal von vorn beginnen

LEIPZIG taz | Die sogenannte Heldenstadt Leipzig bleibt ohne monströses Monument zur Erinnerung an den Revolutionsherbst 1989 und die Deutsche Einheit. Nahezu einstimmig folgte der Stadtrat am Mittwoch einem fraktionsübergreifenden Antrag von CDU, Bündnis90/Die Grünen, SPD und Linken und beendete das Wettbewerbs- und Vergabeverfahren. Nach überwiegender öffentlicher Ablehnung des Siegerentwurfs und juristischem Streit war ein solcher Schritt seit dem Vorjahr erwartet worden. Ursprünglich sollte das Denkmal zum 25. Jahrestag des Wendeherbstes 89 eingeweiht werden.

Auf dem Nikolaikirchhof, dort, wo nach den Friedensgebeten in der Kirche die DDR-Montagsdemonstrationen ihren Ausgang nahmen, steht schon seit 1999 eine 16 Meter hohe Säule. Sie entspricht einer der Säulen im Inneren der Kirche und wird in ihrem Denkmalcharakter durch eine Tafel, einen Brunnen und eine Lichtinstallation ergänzt. Den Nachgeborenen und Zugereisten, die mit dem Geist der 89er nichts mehr anfangen können, war das offenbar zu wenig. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) wollte was Spektakuläres. Auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) unterstützte das Vorhaben. Nach wie vor bekennt sich Unions-Fraktionschefin Ursula Grimm zu einem „Nationaldenkmal mit europäischer Ausstrahlung“.

Was nach Hermannsdenkmal und Kyffhäuser in einem klingt, erwies sich im Siegerentwurf des Münchener M+M-Büros und von Annabau Berlin eher als Produkt der Spaßgesellschaft. 70.000 bunte Würfel zum Mitnehmen sollten an die Zahl der DemonstrantInnen am 9. Oktober 1989 erinnern. U-30-Leipziger fanden das lustig, Spott und Ablehnung fand dies hingegen bei den Älteren. Als der ursprüngliche Siegerentwurf auf Platz drei zurückgestuft wurde und die Stadt eine zweite Wettbewerbsphase auslobte, wandten sich die düpierten Würfelkonzeptler an die sächsische Vergabekammer und das Oberlandesgericht.

Alles auf null und von vorn, beschloss nun der Stadtrat. Irgendwann soll doch noch ein „Zeichen“ für die friedliche Revolution kommen, sagt der Beschluss. Für Oberbürgermeister Jung bedeutet das nur eine Atempause auf dem bisherigen Weg. Nein, vielmehr sei eine Denkpause nötig, korrigiert die Leipziger Linke und will Bürger und Öffentlichkeit von Anfang an mehr einbeziehen. Ihren Antrag auf einen Bürgerentscheid lehnte der Stadtrat am Mittwoch allerdings ab. MICHAEL BARTSCH