Wenn die Weser zu Tode gesalzen wird

Eine geplante Salzpipeline soll in die Weser führen. Europas größter Kaliproduzent K + S beruft sich auf eine Genehmigung aus dem Jahr 1942. Mit Grenzwerten, die Politiker, Fischer und Tourismusgewerbe den Todesstoß für den Fluss befürchten lassen

Von Kai Schöneberg

Sie hat 30 Zentimeter Durchmesser, ist 63 Kilometer lang und sorgt derzeit für jede Menge Ärger in vier Bundesländern. Vom Monte Kali im hessischen Neuhof bei Fulda soll sie Richtung Werra führen, aber auch in den Nachbarländern Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo Werra und Fulda sich zur Weser vereinigen, regt sich wachsender Widerstand gegen die Salzpipeline der Kasseler K + S, Europas größtem Kaliproduzenten.

Jährlich 500.000 Kubikmeter Salzlauge will K + S ab 2009 unterirdisch durch die Pipeline Richtung Werra pumpen, damit die bei Regen entstehenden Auswaschungen der riesigen weißen Kalihalden nicht im Grundwasser versickern. Völlig unbedenklich, beschwört der Salzmulti, es gehe um nicht mehr als zwei Schnapsgläser Salzlauge auf 100 Liter Wasser. „Eine ökologische Katastrophe kann ich da nicht erkennen“, sagt ein Sprecher. Und: Selbstverständlich würden alle Grenzwerte eingehalten.

Fragt sich nur, welche Grenzwerte. K + S hat eine aus dem Jahr 1942 stammende Genehmigung, so viel Salzlauge in die Werra einzuleiten, dass am Pegel Gerstungen an der thüringisch-hessischen Grenze der Wert von 2.500 Milligramm Chlorid pro Liter nicht überschritten wird. Unter diesem Wert bleibt K + S auch durch die geplanten Einleitungen – ob er den Flüssen gut tut, ist allerdings umstritten.

Das Salz schade Kleinlebewesen und Fischen und wirke sich auf Wasservögel und das gesamte Ökosystem in der Weserregion aus, sagt der Sprecher des Landessportfischerverbands, Jürgen Reinhardt. In der Werra gibt es heute nur zwei bis drei Fischarten, darunter die widerstandsfähigen Groppen: Kleine am Boden gründelnde Fischchen, die sich auch im Salzwasser des Pazifiks pudelwohl fühlen. Erst weiter flussabwärts, wenn der Salzgehalt durch die Einmündung weiterer Flüsse gesunken ist, steigt die Wasserqualität der Weser wieder an.

Zu DDR-Zeiten waren Werra und Weser wegen der Einleitungen aus den Kalibergwerken im Osten salzhaltiger als die Nordsee. Bund und Anrainerländer pumpten in den 90er Jahren mehr als 100 Millionen Euro in die Entsalzung der Flüsse, auch Kommunen, Umwelt- oder Anglervereine investierten.

Heute ist der Salzgehalt um rund 90 Prozent gesunken. Lag die Belastung vor der Wende an einigen Stellen bei bis zu 40.000 Milligramm Chlorid pro Liter, ist er derzeit bei Nienburg/Weser auf 200 bis 300 Milligramm pro Liter gesunken.

Inzwischen gibt es bereits weit über 2.000 Einwendungen gegen die Pipeline. In Resolutionen haben sich niedersächsische Weser-Anrainergemeinden wie Bodenfelde oder Uslar mit den Nachbarkommunen Bad Karlshafen und Oberweser in Hessen oder der Landkreis Northeim gegen die Salz-Pläne ausgesprochen. Er fürchte „schwere Einbußen“ für den Tourismus in der Region, sagte der Northeimer Landrat Michael Wickmann.

Niedersachsens längster Fluss habe sich in den vergangenen Jahren zu einem „Magneten für den Tourismus und damit zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor der Region“ gewandelt. Allein 2005 seien über 33 Millionen Tagesgäste in die Urlaubsregion Weserbergland gekommen. Die geplante Salzeinleitung würde alle Anstrengungen und damit die Entwicklung des Tourismusgewerbes zunichte machen, ärgert sich der Landrat.

Andere fürchten, dass das Salz bei Hochwasser auf Felder und Wiesen geschwemmt wird. „Kein Gärtner würde 2,5 Gramm Salz pro Liter in seine Gießkanne kippen und damit den Garten sprengen“, sagt die Sprecherin der Grünen in Ostwestfalen-Lippe, Helga Lange.

Werra und Weser drohe ein „ökologischer Todesstoß“, meint der Hamelner SPD-Landtagsabgeordnete Volker Brockmann. Wie Stefan Wenzel von den Grünen fordert er Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) auf, sich dafür einzusetzen, dass die „kriegsbedingten“ Grenzwerte gesenkt würden.

Von diesen „kleinkarierten Darstellungen“ hält Sander nichts. Rechtlich könne er gegen die Grenzwerte wenig zu tun, da die Niedersachsen bei der anstehenden Genehmigung durch das Regierungspräsidium in Kassel gar nicht gefragt würden, sagt Sander.

Mitte März führt die drohende Versalzung deshalb zu einer politischen Premiere. Erstmals werden sich die Umweltausschüsse der Landtage der Anrainer-Länder treffen, um über die Pipeline beraten.