: Guten Morgen, Berlin
HÖREN Wohnen geht über die Wohnung hinaus. Eine Viertelstunde am offenen Fenster in Kreuzberg
Im Kölner Amt für Straßen und Verkehrstechnik wurde der leiseste Straßenbelag entwickelt, der derzeit im kommunalen Straßenbau verwendet wird. Die Boltenstraße und das Konrad-Adenauer-Ufer wurden bereits mit dem Asphaltbelag, dem Gummi aus recycelten Autoreifen beigemischt wird, saniert. Damit wurde eine für die Bewohner deutlich spürbare Lärmminderung erreicht. Die Rollgeräusche reduzierten sich bei Pkws mit einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern um bis zu sechs Dezibel von 92 auf 86 Dezibel. Ein Rasenmähermotor erreicht etwa 85 Dezibel. Mit der Sanierung der beiden Stadtstraßen realisierte die Stadt Köln ein Pilotprojekt. Laut dem Amt für Straßen und Verkehrstechnik soll der Belag bald auch in Bayern, Rumänien, Norwegen und in den Beneluxstaaten eingesetzt werden.
VON MAGDALENA ULRICH
Ein Klopfen, so dumpf wie aus einer verschlossenen Holztruhe heraus. Es klopft in regelmäßigen Abständen. Darunter summt gleichmäßig ein Ton in mittlerer Höhe. Der Zweiklang erklingt immer wieder, vermengt sich jetzt im Zweieinhalb-Minuten-Takt mit der umgebenden Geräuschkulisse. Vierzehn Sekunden lang klopft es über dem gehaltenen Ton. So lange braucht die Bahn, um sich langsam, an die Schienen schmiegend, um die Kurve der Hochbahngleise zu schieben. Zu dieser Kurve geht mein Fenster hinaus.
Draußen weht ein flächiger Ton wie Wind durch die Straßen, wie Nordluft an der Küste, doch es ist Großstadtverkehr in Berlin. Das Grundrauschen der Stadt geht rasch und sanft zugleich. Es schält sich daraus ein unregelmäßiger Rhythmus von Schritten. Wie beschlagene Hufe knallen harte Absätze auf den Asphalt. Splitt knirscht unter den Sohlen. Hart tönende Schritte und Dauerrauschen klingen zusammen wie ein Basston mit seinem Metronom. Die Melodie setzt sogleich ein, kommt angelaufen, seufzt im Singsang: „Sie ist jetzt einundzwanzig.“ – „Ein Schmuckstück sozusagen“, tönt eine andere Stimme. – „Bleibt nur die Frage, wo?“
Eine Autotür fällt zu. Die Dichtungsgummis klatschen aneinander. Dann ein kehliges Räuspern, es knattert hüstelnd – einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Zäh klingt der bange Moment beim Anlassen des alten Autos. Der Motor sträubt sich kurz, bevor er anspringt. Schließlich schnauben Zylinder auf und ab.
Ein Müllmann zieht rabiat und rumpelnd große Tonnen auf Rädern den Gehsteig entlang. Leere Tonnen lärmen als schmerzendes Pauken mit jedem Spalt der Betonplatten, die an dieser Stelle den Gehweg bedecken.
Wieder Schritte auf Splitt, zwei Stimmen sind angehoben, fast schreiend, um den Verkehrspegel zu übertönen. Mit einer Stimme, die im Hals festklemmt, sagt jemand im Vorbeigehen: „Tee mit frischer Minze und Ingwer.“ Die zweite Stimme schweigt, nur ihre Schritte sind gleichmäßig taktend auf dem Asphalt des Gehwegs zu hören. Ein Stakkato, das langsam verklingt.
Autos nähern sich, passieren die Kurve, entfernen sich. Rollgeräusche, die ankommen und sich zurückziehen. Sie rauschen über die nasse Straße wie Wellenbewegungen, die hier an der Kurve den Scheitel erreichen und brechen. Lkws stoßen immer wieder ein schnippisches „Pfff“ im Vorbeifahren aus. Dieselmotoren klingen wie altes Räuspern, das die Welt gesehen hat.
Der Winterregen verstärkt die Geräusche. Es hört sich dampfig und dicht an, gar nicht wie im Freien. Der Regen hüllt den Ort in eine diesige Klangglocke.
Plötzlich die Quarte einer Rettungsdienstsirene. Rennende Schritte im eiligen Stakkato kurzer Beine. Dann zerschlägt etwas knackend wie ein rohes Ei auf dem Boden. Die Schritte halten inne, stehen auf Pause, setzen sich wieder in Bewegung.
Metallen klirren Schlüssel am Bund dort unten an der Haustür. Ein fiepsendes Bremsen. Und irgendwo klingelt schrill ein Mobiltelefon im ständigen Tirretirreding.
Noch einmal klopfen Waggons atemlos über die Schweißnähte der Hochbahnschienen, vibrieren hölzern und warm, bevor die Bahn ins Schlesische Tor einfährt.