unverbremt
: ENO, übernehmen Sie

Da wird sich die Kanzlerin aber gefreut haben: Gerade noch rechtzeitig für ihren gestrigen Schaffermahl-Besuch in Bremen wurden die „Herolde“ wieder vor dem Rathauses aufgestellt. Schnuckelig! Nicht nur so leckeres Essen und riesige Bierhumpen gibt‘s hier, nein, auch Shanty-Chöre schmettern und putzige Ritter reiten herum. Bremen, ein perfektes Freilicht-Museum.

Einen ähnlichen Eindruck könnte das Bundesverfassungsgericht gewinnen. Nur, dass die Karlsruher Richter den musealen Charakter der ganzen Angelegenheit wohl eher auf die Fähigkeit des Stadtstaates zur Selbstständigkeit beziehen werden, die wiederum direkt mit dem von Bremen eingeklagten Anspruch auf Finanzhilfe zusammenhängt. Begründung: Aus eigenen Kräften könne nichts mehr zur Haushaltskonsolidierung beitragen werden. Aber gibt es eine überflüssigere Ausgabe als die 90.000 Euro, für die die Blechkameraden jetzt in einer Berliner Werkstatt auf Vordermann gebracht wurden? Gibt es: die 40.000, die die prätentiösen neuen Sandsteinsockel gekostet haben. Viel schlimmer aber ist de Herabwürdigung des wunderbaren gotischen Rathauses zum Schauplatz einer wilhelministischen Popanz-Parade.

Die vermeintliche Wiederherstellung eines „ursprünglichen Zustandes“ kann sich auf genau 38 Jahre berufen (1904 - 1842) in denen die Mittelalter-Attrappen in der Tat schon einmal das Rathaus verunstalteten. Gemessen an der 600 jährigen Geschichte des Gebäudes keine sehr zwingende Legitimation. Und dass man sich auf den historistischen Eklektizismus der Kaiserzeit als recyclingswerte Geschmacksausprägung beruft, kann ja wohl auch nicht sein.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf die Stadtreinigung. Schon einmal hat ein Kehrfahrzeug das Ross vom Sockel gerissen – drei Mal ist Bremer Recht. ENO, übernehmen Sie! Henning Bleyl