: Der infizierte Samariter
Die Toten, die das Ebola-Virus derzeit in Liberia, Guinea und Sierra Leone fordert, sie verkümmern zu einer Zahl: 700. Auf Bildern sind sie in weiße Schutzanzüge gehüllte, namenlose Aussätzige. Doch jetzt hat die Epidemie ein Gesicht, einen unfreiwilligen Helden, der diese Rolle vermutlich nicht wollte – weil er sie womöglich mit den Leben bezahlt: Dr. Kent Brantly.
Brantly ist der erste Ebola-Patient der USA. Eine Chartermaschine flog den 33-Jährigen am Samstag aus Liberia aus, zu einer Isolierstation des Emory University Hospitals in Atlanta. Er ist Arzt, verheiratet, Vater von zwei kleinen Kindern und ein gläubiger Mann. Seine Frau, selbst bis vor Kurzem in Liberia, schrieb nach einem Gespräch mit ihm in einen offenen Brief, man solle „für Kent, Nancy und die Menschen in Liberia beten“.
Brantly selbst wollte praktische Hilfe leisten: Mindestens zwei Dutzend Ebola-Patienten behandelte er im Auftrag der christlichen Hilfsorganisation Samaritan’s Purse in Liberias Hauptstadt Monrovia. Er war stets geschützt durch einen dieser Schutzanzüge. Warum er sich ansteckte – niemand weiß es.
Brantlys Kollegen beschreiben ihn in US-Medien als ruhig, fokussiert. Er selbst sagt, er habe alle Sicherheitsvorkehrungen eingehalten. Auch zwei Krankenschwestern aus seinem Team sind erkrankt, eine ist bereits gestorben. Die zweite, die Krankenschwester Nancy Writebol, soll nun ebenfalls ausgeflogen werden. Brantly gab für sie die einzige Hoffnung auf Behandlung auf: Er verzichtete auf die Verabreichung eines noch unerprobten Serums gegen Ebola, das aus der Blutspende eines 14-jährigen Jungen gewonnen wurde, der die Krankheit überlebt hat. Jetzt soll es Writebol erhalten.
Sonst gibt es keine Behandlung gegen das Virus – auch Impfstoffe sind noch im Versuchsstadium. 60 bis 90 Prozent der Infizierten sterben, je nachdem, wie gut sie medizinisch betreut werden. Brantlys Zustand bezeichnen Ärzte als „stabil“: Im Fernsehen war zu sehen, wie er selbstständig, von einem Helfer gestützt, beide in Schutzanzügen, aus dem Krankenwagen stiegt, der ihn vom Flughafen ins die Klinik brachte. Allerdings kann sich sein Zustand jederzeit verschlechtern. INGO ARZT