AMERICAN PIE : Sägen für den Sieg
SOCCER Mit dem Spiel gegen Bayern München versucht die US-Fußball-Liga MLS den nächsten Schritt zur Respektabilität zu gehen
Timber Joey dürfte seine Kettensäge schon geschärft haben. Das Maskottchen der Portland Timbers muss schließlich jedes Mal, wenn die Heimmannschaft ein Tor schießt, eine dicke Holzscheibe vom sogenannten Sieges-Baumstamm abschneiden. Allerdings: Heute Nacht beim All-Star-Game der Major League Soccer (MLS), zu dem eine MLS-Auswahl gegen den FC Bayern München antritt, könnte Joey, der auch im wahren Leben als Holzfäller arbeitet, weitgehend beschäftigungslos bleiben. Schließlich gibt es durchaus Befürchtungen, der Auftritt des Deutschen Meisters im Providence Park zu Portland könnte zur PR-Katastrophe werden. Sollten die mit sechs Weltmeistern bestückten Bayern ihre besten Profis demontieren, könnten die Ambitionen der MLS, sich international Respekt zu verschaffen, einen Dämpfer bekommen.
Denn mittelfristig, so das erklärte Ziel, will die MLS zu den besten acht Fußball-Ligen weltweit gehören. Tatsächlich scheint die seit 19 Jahren bestehende Liga auf einem guten Weg. Die Zuschauerzahlen steigen ebenso wie die TV-Quoten, im kommenden Jahr soll die Liga von 19 auf 24 Klubs wachsen. Kürzlich ergab eine Studie, dass der Fußball in der Beliebtheit bei 12- bis 17-Jährigen mit Baseball gleichgezogen hat. Von der WM in Brasilien, die neue Fernsehrekorde für Fußball brachte, erhofft man sich einen weiteren Schub.
All-Star-Games sind traditionell Bühnen, auf denen sich nordamerikanische Profi-Ligen von ihrer besten Seite zeigen. Begonnen hat diese Tradition im Baseball, das 1933 zum ersten Mal die besten Profis zu einem Schauwettkampf einlud. Mittlerweile sind die lockeren Spielchen, für die gewöhnlich die laufende Saison unterbrochen wird, mit einem Rahmenprogramm zu mehrtägigen Spektakeln aufgeblasen worden. Auch Portland ist bereits seit dem vergangenen Freitag im Party-Modus, in der Innenstadt finden Autogrammstunden, ein Street-Soccer-Turnier, Sponsoren-Events oder Konzerte mit den Flaming Lips und Cold War Kids statt. Das Musikprogramm passt zur Stadt. Portland gilt als aktuelle Hipster- und Öko-Zentrale der USA mit starker europäischer Prägung. Fahrradfahrer dominieren das Straßenbild, und auch der örtliche Fußballklub profitiert von diesem Image. Die Heimspiele der Timbers sind immer ausverkauft. Die „Timbers Army“, eine Fan-Gruppierung, die man hierzulande wohl Ultras nennen würde, sorgt für Stimmung im intimen, wenig mehr als 20.000 Zuschauer fassenden Providence Park. Keinem anderen Klub in der MLS ist die Symbiose zwischen traditioneller Fußballkultur und typisch amerikanischer, familienfreundlicher Show so gut gelungen.
„Dieses Phänomen“, sagt MLS-Boss Don Garber über die Stimmung in Portland, soll das All-Star-Game aber nicht nur in die nordamerikanischen Märkte transportieren, sondern auch „dem Rest der Welt präsentieren“. In 150 Ländern, so verkündet die MLS stolz, wird das Spiel gegen die Bayern übertragen, 400 Medien-Akkreditierungen wurden ausgegeben, Tickets sollen auf dem Schwarzmarkt für bis zu 1.500 Dollar gehandelt werden.
Die aktuelle Euphorie könnte allerdings leiden, wenn sich die All-Stars der MLS der angereisten Startruppe aus München als allzu unterlegen erweisen. Tatsächlich sind die Bayern das wohl beste Team, das sich die MLS eingeladen hat seit 2005. Vorher hatte man mit verschiedenen Formaten experimentiert, mal die Spieler von Teams aus dem Osten gegen die aus dem Westen antreten lassen, mal die US-Profis gegen die aus dem Ausland, einmal auch die US-Nationalmannschaft auflaufen lassen.
Meist hat sich die Auswahl der MLS, die gerade mitten im Spielbetrieb steht, ganz gut geschlagen gegen die europäischen Klubs, die noch mitten in der Saisonvorbereitung sind. Es gab immerhin Siege gegen Chelsea oder Celtic Glasgow, aber auch zwei Packungen gegen Manchester United und im vergangenen Jahr ein 1:3 gegen den AS Rom.
Sollte Timber Joey gar nicht zum Einsatz kommen, darf er sich schon mal auf den Samstag freuen. Wenn seine Portland Timbers gegen Chivas USA aus Los Angeles spielen, sollte es wieder ausreichend Anlass für Sägearbeiten geben. THOMAS WINKLER