Im Zweifel unwissend

Der BND ahnte, dass die USA Menschen entführen. Aber Ex-BND-Chef bestreitet Wissensaustausch

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

August Hanning, amtierender Staatssekretär im Bundesinnenministerium, gilt als einer der besten Geheimdienstkenner in Deutschland. Schon unter Helmut Kohl leitete der parteilose Jurist die zuständige Abteilung im Kanzleramt. Während der rot-grünen Regierungszeit 1998 bis 2005 war Hanning Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) – also in jener Periode, in der die USA verstärkt dazu übergingen, ausländische Terrorverdächtige zu entführen und in geheimen Gefängnissen einzusperren.

Es lag also nahe, Hanning gestern bei seiner Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss des Bundestags danach zu befragen, was er von den unrechtmäßigen Praktiken der USA wie den so genannten renditions (Zwangsüberstellungen) wusste. Wie inzwischen bekannt wurde, hatten diese schon vor dem 11. September 2001 begonnen – wurden aber danach intensiviert. Die Vertreter der Opposition haben versucht, dazu mehr zu erfahren.

Spürbar aufgeregt, unterlief Hanning gleich zu Beginn ein kleiner Lapsus. „Ich war in meiner Praxis an einigen Entführungen beteiligt“, sagte der frühere BND-Chef. Als ihn der FDP-Abgeordnete Max Stadler darauf ansprach, dankte Hanning für die Gelegenheit, die missverständliche Formulierung zu korrigieren: Natürlich sei er „an der Lösung“ von Entführungsfällen beteiligt gewesen, nicht an der Durchführung von Entführungen. Im Gegenteil, er sei „stolz darauf“, dass deutsche Nachrichtendienstler keine Menschen verschleppen oder foltern, wie es den USA vorgeworfen wird.

Doch um diese „Selbstverständlichkeit“ (Hanning) ging es der Opposition nicht. Sie wollte wissen, was deutsche Behörden von den US-Praktiken wussten. Die Antworten fielen spärlich aus. Hanning berief sich immer wieder darauf, dass er ausschließlich zu dem konkreten Fall des von der CIA aus Mazedonien nach Afghanistan entführten Deutschen Khaled El Masri Aussagen machen dürfe, der gestern im Ausschuss auf der Tagesordnung stand. Ausführlich betonte Hanning deshalb zunächst, dass es „keinerlei Anhaltspunkte für eine Verwicklung deutscher Stellen“ in diesen Entführungsfall gebe. Auch habe er erst nach El Masris Freilassung von dem Fall erfahren. Dass ein BND-Mitarbeiter schon kurz nach El Masris Entführung informiert war, bedeute nicht, dass der „BND als Institution“ davon wusste.

Nur auf Umwegen gelang es der Opposition, dem früheren BND-Chef weiter gehende Auskünfte zu entlocken. So betonte Hanning, wie „überrascht“ er gewesen sei, als er – im Nachhinein – von El Masris Entführung erfahren habe. Was ihn denn daran überrascht habe, wurde er gefragt. Daraufhin erklärte Hanning, man müsse unterscheiden zwischen Vorkommnissen in Krisengebieten und Vorkommnissen in anderen Regionen. Im Fall El Masri, sagte Hanning, sei für ihn bemerkenswert gewesen, dass es sich um einen deutschen Staatsbürger gehandelt habe, der in Europa entführt wurde. „Das hat mich schon überrascht.“

Der BND ahnte also zumindest, wie die USA anderswo vorgingen. Aber groß nachgefragt? Dazu habe seiner Kenntnis nach „kein Wissensaustausch stattgefunden“, sagte Hanning.