: „Ich jage und finde TV-Perlen“
BASTIAN PASTEWKA Der Comedian über Gottschalk, Dschungelcamp, den trostlosen Zustand unseres Fernsehens – und warum er trotzdem weiterguckt
■ Leben: Geboren 1972 in Bochum, Einzelkind, Mitgründer „Comedy Crocodiles“, Studienabbrecher, Sat.1-„Wochenshow“, Koautor/Darsteller „Der Wixxer“ und „Neues vom Wixxer“
■ Werk: Im Mai zeigt Sat.1 „Fröhlicher Frühling“, ein weiteres Special mit dem Volksmusikalbtraumpaar Wolfgang und Anneliese. Die, also Pastewka und Anke Engelke, moderierten schon den Deutschen Fernsehpreis 2009 und bekamen 2008 den Grimme-Preis.
■ Serie: Die fünfte Staffel von „Pastewka“: Fr., 22.20 Uhr, Sat.1
INTERVIEW DAVID DENK
taz: Herr Pastewka, übernehmen Sie jetzt eigentlich „Wetten, dass ..?“?
Bastian Pastewka: Ich bin ganz froh darüber, dass man mich nicht fragen wird. Und wenn man mich fragt – und ich betone noch einmal ausdrücklich, dass das nicht geschehen ist und nicht geschehen wird –, würde ich innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde absagen. Denn das kann ich nicht. Ich bin überhaupt kein Moderator. Auf eine Bühne zu treten und „Guten Abend, Augsburg; ich freu mich auf einen tollen Samstagabend mit Ihnen“ zu sagen und ein paar Hammerpointen zum Guttenberg-Rücktritt rauszuhauen ist nicht meine Disziplin. Thomas Gottschalk ist ein Meister darin – sowie auch und gerade mit unvorhersehbaren Ereignissen einer Livesendung richtig umzugehen: Sei es nun der Wutausbruch von Marcel Reich-Ranicki beim Deutschen Fernsehpreis 2008 oder der Unfall von Samuel Koch in der Dezember-Ausgabe von „Wetten, dass ..?“. Da kann ich nur „Chapeau“ rufen. Ich hätte mir die Sendung lieber noch fünf Jahre mit Gottschalk angeguckt als mit irgendeinem Nachfolger, auf den man jetzt sehr schnell kommen muss, weil Gottschalk schon im Sommer abtritt.
Wer könnte ihn beerben?
Ich habe keine blasse Ahnung. Ich weiß nur zwei Namen, die gehandelt werden: Davon habe ich einen schon wieder vergessen, und der andere ist Jörg Pilawa.
Auch Hape Kerkeling wird immer wieder genannt.
Hape Kerkeling ist der größte deutsche Komödiant und einer der besten Moderatoren überhaupt, der aber sehr darauf achtet, sich nicht zu verbrauchen. Deswegen hat er etwa schon nach wenigen Folgen „Hape trifft!“ die Segel gestrichen und nach zwei Staffeln „Let’s Dance“. Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt gefragt wurde, aber ich kann mir vorstellen, dass er „Wetten, dass ..?“ nicht übernimmt.
Beschäftigt Sie als Fernsehstar, der für seinen exzessiven TV-Konsum bekannt ist, diese Frage überhaupt?
Weniger die nach der Nachfolge, als die, ob das System „Wetten, dass ..?“ sich je wieder von dem Unfall erholen wird. Die Sorglosigkeit ist weg, die Leichtigkeit, auf Nimmerwiedersehen.
Was kann für Gottschalk jetzt noch kommen?
Natürlich weiß ich nicht, was seine Pläne sind, aber ich könnte mir vorstellen, dass es ihm gut stehen würde, wenn er sich wieder verkleinern, gewissermaßen gesundschrumpfen würde. Ende der 1990er hat er mal zusammen mit Anke Engelke eine mehrstündige bimediale Radio- und Fernseh-Liveshow im WDR gemacht. Das fand ich super: ein fröhlicher Gottschalk, der mal der großen Geste beraubt ist. Und auch als er neulich bei „Maybrit Illner“ zu Gast war und sehr ehrlich seine Meinung zum deutschen Fernsehen äußerte, dachte ich mir: Wie schön, dass auch der nachdenkliche Gottschalk beim Publikum ankommt und nicht nur der Showmaster.
In der gleichen Sendung hat Mathieu Carrière das Dschungelcamp als „Bildungsfernsehen“ geadelt. Würden Sie da mitgehen?
So weit vielleicht doch nicht. Nur weil ich weiß, dass die Show ein höchst manipulatives Format ist, das Unzulänglichkeiten der Kandidaten vergrößert und dadurch eine Realität inszeniert, kann ich es mir anschauen. „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ unterhält mich besser als Soaps und Scripted-Reality-Pseudodokus. Damit werde ich niemals warm werden.
Sie haben es also geguckt?
Komplett, ja. Jeden Abend. So spannend wie in dieser Staffel war die Sendung noch nie. Da waren acht Millionen Zuschauer und ich uns einig.
Mich hat der Umgang mit der Campzicke Sarah Knappik eher abgestoßen, dieses Tribunalhafte, gipfelnd in dem theatralischen Kniefall Carrières mit der Bitte, Sarah möge doch endlich ausziehen. Dieses Profilieren auf Kosten einer offenbar zutiefst verunsicherten jungen Frau fand ich billig.
Fremdscham ist offenbar eines der wenigen Gefühle, die von der Mattscheibe noch direkt an den Konsumenten gelangen. Bei einer jungen Frau, die von allen Seiten fertiggemacht wird, hat man das Gefühl, sie nicht alleinlassen zu können – und bleibt hängen. Mir geht das weniger mit dem Dschungelcamp so als mit Volksmusiksendungen des Mitteldeutschen Rundfunks. Da fällt mir fast die Fernbedienung aus der Hand vor lauter Fassungslosigkeit, wenn ich sehe, wie eine Moderatorin Grüße ins Altersheim schickt und dabei so tut, als wäre das ihre große Samstagabendshow.
Sie meinen die Sendung „Alles Gute!“ …
… genau, mit Petra Kusch-Lück und dem „Alles Gute!“-Schwein. Die senden seit, ich glaube, 15 Jahren aus einer anderen Welt. Diese Einspieler! Ein fröhlicher kleiner Jongleur macht mit Bällen irgendwas Verrücktes, vom Band wird ein Lied von Semino Rossi abgespielt, und der greise Jubilar freut sich.
Und das, Herr Pastewka, ist das erfolgreichste dritte Programm. Traurig, oder?
Gute und schlechte Sendungen hat es immer gegeben und wird es immer geben, auch ich habe schon fleißig zu beiden Kategorien beigetragen. Was mich viel mehr stört, ist die erwartbare Programmierung im deutschen Fernsehen: Freitags um 22 Uhr senden alle dritten Programme ihre Talkshows, jeden Samstag beschert RTL uns Bohlen-Shows bis weit nach Mitternacht, und jeden Sonntag wetteifert der heilige „Tatort“ mit Rosamunde-Pilcher-Kitsch. Warum hat sich das Fernsehen hierzulande schon zum Hintergrundrauschen verabschiedet wie vor 15 Jahren das Radio?! Die Senderverantwortlichen sind stolzer auf ihre Mediatheken als auf die Inhalte ihrer Programme und versäumen darüber völlig, wirklich neue Formate zu entwickeln und Talente aufzubauen. Früher haben die Dritten Shows wie „Zimmer frei“ und Talente wie Harald Schmidt gefördert, heute verwerten und verwalten sie nur noch alte Erfolge. Und anstatt gute Serien wie „Weeds“ und „Mad Men“ oder verrückte Formate mit Knacki Deuser, Christian Ulmen oder Benjamin von Stuckrad-Barre im Hauptsender zu zeigen, gründet das ZDF den Spartenkanal ZDF neo, um sie da zu verstecken. Das will mir nicht in den Kopf. ARD und ZDF hätten allein aus ihren Archiven heraus die Möglichkeit, nachmittags eine vernünftige Sendestrecke zusammenzubauen, die nicht nur Omi-Fernsehen ist. Stattdessen laufen überall Zoodokumentationen und Soaps. Aber mir als altem Festplatten-Rekorder-Beherrscher ist das egal. Ich jage und finde die Perlen – auch wenn sie nachts um zwei versteckt sind wie die US-Serie „Taras Welten“ Freitag früh im Ersten. Ich mache mir eher Sorgen um die nachwachsende Generation, die Fernsehen nur für uninteressant halten kann.
Wie wäre es zum Ausgleich mit ein bisschen Selbstkritik? „Offensive Rückgratlosigkeit“ attestieren Sie sich. Wie äußert die sich?
Indem ich etwa Ina Müller auf ihre freundliche Anfrage hin meinen Besuch bei „Inas Nacht“ zunächst in Aussicht gestellt, dann aber aus Zeitgründen abgesagt habe. In Wahrheit habe ich jedoch abgesagt, weil ich weder singen kann noch trinken will. Und beides halte ich für Basisqualifikationen eines Gastes in diesem Format. Was aber kein Grund ist, „Inas Nacht“ nicht mit Freude weiterzugucken. Nur will ich mich darin nicht sehen. Es gibt daher kaum etwas, was mir mehr Respekt abnötigt als klare Ansagen von Kollegen. Es gibt einen Prominenten, der meiner Serie schon vor vier Jahren einen sehr deutlichen Korb gegeben hat; für die fünfte Staffel von „Pastewka“ haben wir ihn trotzdem noch mal angefragt, weil wir ihn einfach brauchten für die Idee, die wir ausgeheckt hatten. Am Tag darauf kam seine Antwort: „Kinder, ich habe Bastian doch vor vier Jahren schon gesagt, dass ich seine Serie scheiße finde. Fragt mich bitte nie wieder!“ – grandios! Ich hätte mich rausgeredet mit einer Ausrede wie „Schade, ich stecke in den Vorbereitungen für ein Kinderbuch“. Meine Agentur hat eine Abteilung, die sich diese Absagen ausdenkt.
Wofür, glauben Sie, steht die Marke „Bastian Pastewka“?
Ich weiß es manchmal selber nicht, aber ich glaube, genau dafür könnte die Marke stehen. Ich hätte 1995, als ich beim WDR angefangen habe, weder geahnt noch unterstützt, zunächst fünf Jahre lang eine Sketchcomedyshow zu machen, dann eine Reisesendung, dann eine weitere Sketchcomedy, diesmal ohne Text, dann zwei alberne Edgar-Wallace-Parodiefilme und jetzt eben eine Serie, die meinen Namen trägt und mir eine zweite Haut geworden ist. Ich habe mich eigentlich immer instinktiv für mein nächstes Projekt entschieden – in der Hoffnung, mein Publikum damit immer wieder zu überraschen. Als Zitat meiner selbst möchte ich bitte niemals enden.
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