OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Menschen waren Objekte“, sagt ein Anthropologe des American Museum of Natural History über die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als seine Vorgänger beim Polarforscher Robert Peary mal eben einen Eskimo „bestellten“. Peary brachte gleich fünf Inuit aus Grönland mit nach New York – doch die Menschen aus dem Norden vertrugen das Klima nicht, und vier von ihnen starben kurze Zeit später an Tuberkulose. Lediglich der kleine Minik überlebte, konnte aber erst 12 Jahre später in seine Heimat zurückkehren. Heimisch wurde er dort allerdings nicht mehr, 1918 starb er als ruheloser Wanderer zwischen den Kulturen an der Spanischen Grippe. Axel Engstfelds Dokumentation „Minik“ folgt in einer Mischung aus Dokumenten, Interviews und kleinen Spielszenen den Spuren Miniks und Pearys und bietet dabei einen interessanten Einblick in das Denken von Forschern, für die Entdeckung auch immer Kolonisation bedeutete. (24. 3., Zeughauskino)

M. Hulot, unfreiwilliger Anarchist und Alter Ego des französischen Regisseurs und Komikers Jacques Tati, einmal mehr auf Achse: In „Trafic“ (1970) versucht er, ein selbstkonstruiertes Campingmobil rechtzeitig zu einer Automobilausstellung nach Amsterdam zu bringen, doch unterwegs warten Pleiten, Pech und Pannen. Die Komik Tatis entspringt dabei der scharfen Beobachtung eines mechanisierten modernen Alltags und dem absurden Kampf M. Hulots gegen dessen schreckliche Effizienz: Schon gleich zu Beginn setzt Tati Aufnahmen von der unpersönlichen Arbeit in der Montagehalle einer Autofabrik gegen Szenen vom liebenswerten Chaos in einem Kleinbetrieb. Die Tilsiter Lichtspiele zeigen „Trafic“, dessen Tonspur zwar eine ausgeklügelte Geräuschkulisse, aber keine Dialoge im eigentlichen Sinn enthält, mit Livemusik von Christian Magnusson (Trompete), Brendan Dougherty (Schlagzeug) und Ktho zoid (Gitarre und Elektronik). (OmU, 25. 3., Tilsiter Lichtspiele)

Seit 1967 dreht der amerikanische Dokumentarist Frederick Wiseman Filme, die zumeist von Institutionen handeln. Psychiatrie, Schule, Schlachthaus, Intensivstation: Wiseman zeigt ohne jeden Kommentar, wie diese Institutionen funktionieren, die für ihn auch immer die Gesellschaft repräsentieren, in der sie existieren. Insofern darf man auch bei „La Danse – Le Ballet de l’Opéra de Paris“ nicht einfach nur einen ästhetischen Film über Körper in Bewegung erwarten: Neben Ausschnitten aus den fertigen Bühnenproduktionen sieht man vor allem Tänzer und Choreografen bei der harten Probenarbeit, dazwischen kurze Einblicke in die Kantine, in Werkstätten wie die Kostümschneiderei und in Businessmeetings der künstlerischen Leiterin, es geht um Sponsoren und Rentenfragen. Als Zuschauer braucht man viel Geduld und Aufmerksamkeit, doch dann entwickelt sich das, was Wiseman in Monaten der Montage aus 150 Stunden Filmmaterial herausgearbeitet hat: Man erkennt, was die Institution am Laufen hält und wie die beteiligten Menschen davon in jeder Handlung geprägt werden. (28. 3.–30. 3., Union) LARS PENNING