: Nun auch im Senat: freiwillige Selbstkontrolle
Sowohl Klaus Wowereit als auch die PDS-Senatoren Harald Wolf und Heidi Knake-Werner weigern sich, ihr Mandat als Abgeordnete niederzulegen. Wowereit verstößt damit gegen einen Beschluss der SPD. PDS sorgt sich um Nachrücker
Eigentlich sollen die einen regieren und die anderen die Regierung kontrollieren. Nach der Neuauflage von Rot-Rot gilt diese Grundregel der Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament nicht mehr. Sowohl der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf und Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (beide PDS) haben ihr Abgeordnetenmandat nach der Ernennung zu Regierungsmitgliedern behalten. Nur Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hat es aufgegeben. Alle anderen Senatsmitglieder gehören dem Parlament nicht an.
Im Falle des Regierenden beschäftigt das Festhalten am Abgeordnetenmandat nicht nur Demokratietheoretiker, sondern auch die eigene Partei. Der Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem Wowereit zur Wahl angetreten war, hatte vor einiger Zeit die Trennung von Amt und Mandat beschlossen. Nach Wowereits Weigerung muss der Kreisvorsitzende Christian Gaebler nun zurückrudern. Wowereit habe ein Direktmandat gewonnen, ließ Gaebler mitteilen, das müsse man gesondert betrachten. Eine Lex Wowereit sei das nicht. Auch gebe es im Kreisverband keine Diskussion darüber, dass der Regierende sein Mandat abgeben müsse.
Doch nicht nur der Regierende bringt ins neue rot-rote Bündnis das Prinzip der freiwilligen Selbstkontrolle ein. Auch die PDS tut sich schwer mit dem Thema. „Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen“, formuliert Fraktionssprecherin Kathi Seefeld die offizielle Sprachregelung. Tatsächlich sieht es derzeit nicht danach aus, als würde die Entscheidung zugunsten der Aufgabe eines Mandats fallen.
Namentlich die Abstimmungspanne bei der Wahl von Wowereit zum Regierungschef, heißt es in der Linkspartei, habe gezeigt, wie wacklig das rot-rote Bündnis ist. Falls es tatsächlich auseinanderbreche, wolle man im Parlament nicht auch den Spitzenkandidaten verlieren. Im Klartext: Harald Wolf wird sein Mandat nicht abgeben. Allenfalls Knake-Werner könnte von ihrem Mandat zurücktreten. In der letzten Legislaturperiode hat es mehrere Monate gedauert, bis die PDS-Senatoren ihre Mandate niederlegten.
Tatsächlich aber dürften es weniger die Szenarien vom Ende von Rot-Rot sein, die die Linkspartei beschäftigen. Auf Platz zwei der Nachrückerliste würde vielmehr eine Abgeordnete ins Parlament ziehen, deren politische Zuverlässigkeit hinter vorgehaltener Hand in Zweifel gezogen wird. Keine rosigen Aussichten angesichts einer knappen Stimmenmehrheit.
Für die Opposition hingegen steht fest: „Unsichere Nachrücker dürfen nicht dazu führen, dass das Parlament die Regierung nicht mehr kontrolliert“, so der grüne Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann. Er verweist darauf, dass der grüne Justizsenator Wolfgang Wieland nach seiner Ernennung 2001 sofort sein Abgeordnetenhausmandat niedergelegt habe. Ratzmann wörtlich: „Es ist erstaunlich, wie die PDS einen Grundsatz nach dem andern über Bord wirft.“
Die Überlegung allerdings, nach einem möglichen Ende der Koalition auch mit den Exsenatoren im Parlament präsent sein zu wollen, hält Ratzmann für wenig ehrenrührig. Sein Vorschlag: „Wer vom Parlaments- auf einen Senatssessel umsteigt, soll sein Amt ruhen lassen.“ UWE RADA