: Qualmendes Trauerspiel an der Leine
Rauchen dürfte bald auch im niedersächsischen Landtag verboten werden. Das Hohe Haus müsse Vorbild sein, fordert Gesundheitsministerin Ross-Luttmann. Beim Schutz von Nichtrauchern ist es das ansonsten kaum
Ein Symbol muss her, dass Niedersachsen nicht völlig zum Büttel der Raucherlobby geworden ist. Nur so lässt sich erklären, dass das Landtagspräsidium in der kommenden Woche beschließen dürfte, das letzte Reservat der Nikotin-Süchtigen im Hohen Haus zu verbannen: Die Raucherecke, ein mit Absperrbändern abgetrennter Raum in der Landtags-Lobby, soll weg. Zuvor sollen die Parlamentarischen Geschäftsführer in ihren Fraktionen noch ein „Meinungsbild“ über das Qualmverbot in den öffentlich zugänglichen Bereichen des Gebäudes einholen.
Aber die öffentliche Diskussion hat die Politiker längst eingeholt. Zuerst votierte gestern die Landes-Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) dafür, Kippen aus dem Landtag am Leineufer zu verbannen. Das Parlament, dass auch von vielen Schulklassen besucht wird, müsse „Vorbildfunktion“ einnehmen. Dem schlossen sich später alle vier Fraktionen an.
Damit zieht die unrühmliche Geschichte um den Nichtraucherschutz in Niedersachsen eine weitere unrühmliche Schleife. Vor zwei Wochen hatten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern auf dem „Nichtrauchergipfel“ in der Landeshauptstadt darauf geeinigt, auch in den Gaststätten – Hoheitsbereich der Länder – das Rauchen künftig weitgehend zu verbieten. Nur in räumlich abgetrennten Bereichen soll Qualmen noch möglich sein. So wollen es die Ministerpräsidenten in zwei Wochen beschließen.
Zwei Länder scherten aus: neben Nordrhein-Westfalen ausgerechnet die Gipfel-Gastgeber aus Niedersachsen. Raucher können künftig in vielen Kneipen zwischen Harz und Heide ungestört paffen: Gastronomen können ihre Gaststätten und Kneipen nämlich zu solchen für Raucher erklären. Die Wirte sollten selbst entscheiden können, wie sie es mit dem Nichtraucherschutz hielten, sagt Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Wenn sich die Regelung nach zwei oder drei Jahren nicht bewährt habe, könnte sie immer noch verschärft werden.
Für diese Position, die auch wegen eines harten Neins des Koalitionspartners FDP zustande kam, hat Wulff bereits „durchaus aufmunternde Signale aus anderen Bundesländern“ erhalten. Wenig aufmunternd die Dringliche Anfrage der Grünen heute im Landtag: „Niedersachsen schert aus beim Nichtraucherschutz – der Durchmarsch der Tabaklobby bei der Landesregierung“.
Auch das Rauchverbot im Parlament selbst ist nicht unumstritten: Nachdem der Qualm im vergangenen Frühjahr bereits eine Plenarsitzung lang verboten war, beschwerte sich nicht zuletzt der rauchende CDU-Fraktionschef David McAllister darüber, er könne seine Abgeordneten nicht zu Abstimmungen zusammentrommeln, wenn sie zum Quarzen in ihre Büros oder ins Freie gegangen seien. Daraufhin wurde die Raucherecke eingerichtet. Bereits gestern trafen sich hier aber nur noch wenige Abgeordnete zum Zigarettenpäuschen. KAI SCHÖNEBERG