EXMINISTERIN DUFLOTS ABRECHNUNG MIT FRANKREICHS PRÄSIDENT : Grüne Frustliteratur
RUDOLF BALMER
Der Buchtitel „Reise durchs Land der verlorenen Illusionen“ verspricht nicht gerade eine gemütliche Wanderung durch das Frankreich der Gegenwart. Bitterböse ist die Abrechnung, die Cécile Duflot, ehemalige grüne Wohnungsministerin und Exparteichefin von Europe Écologie Les Verts, am Montag auf den Buchmarkt bringt. Von den Sozialisten wird sie unverhohlen als „Nestbeschmutzerin“ beschimpft, die in eine Suppe spucke, die sie selbst mit zubereitet habe.
Fünf Monate nach ihrem Austritt aus der Regierung fühlt sich Duflot nicht mehr zu irgendeiner Art Solidarität mit der Regierung verpflichtet und macht ihrem Frust Luft: „Ich habe an Hollande geglaubt, ich habe mich getäuscht.“ Sie ist unter den linken WählerInnen bei Weitem nicht die Einzige, die von dem sozialistischen Präsidenten anderes erwartet hatte. „Weil er kein linker Präsident sein wollte, hat er keine soziale Basis und keine Unterstützung. Weil er unbedingt der Präsident von allen sein wollte, ist er am Ende der Präsident von niemandem.“
Duflot vergleicht Hollande wegen seiner Obsession, das Haushaltsdefizit mit untauglichen Mitteln zu senken, mit dem tragischen Helden Sisyphus, der bis zur Absurdität und ohne Aussicht auf Erfolg seinen Stein immer wieder bergauf rollt. „Hollande hat seine Zeit damit verbracht, immer neue Ziele zu setzen, die er nicht erreichen konnte. Das Ergebnis war verheerend.“
Duflot liefert auch Anekdoten aus vertraulichen Sitzungen und Treffen mit Ministern, wie dem „widerlichen Jérôme Cahuzac“ oder dem „Komödianten Arnaud Montebourg“. Ihr Erzfeind ist der heutige Regierungschef und frühere Innenminister Manuel Valls, den sie für einen Rechten hält, der sich kaum von Nicolas Sarkozy unterscheide.
Obschon viele Grüne die Kritik am Kurs teilen und auch für den Verzicht auf die Regierungsbeteiligung sind, eckt Duflot mit ihrem polemischen Stil an. Die ehemalige Umweltministerin Dominique Voynet sieht Duflots Pamphlet als Indiz für politische Unreife: „Die politische Umweltbewegung feiert ihr 40-jähriges Bestehen, die Partei selber den 30. Geburtstag. Deren Pubertätskrise aber ist nicht ausgestanden.“
Die heutige Parteichefin Emmanuelle Cosse will zwar auch nicht „Ja und Amen“ zur Linie der französischen Sozialisten sagen, sie will sich aber die zukünftige Zusammenarbeit mit ihnen nicht verbauen und hält deswegen nichts von Duflots unflätigen Beschimpfungen.
Wenn Duflot 2017 als Präsidentschaftskandidatin der Grünen glaubwürdig sein wolle, brauche es jedenfalls „mehr als ein solches Buch“, meint La Voix du Nord. Und für Midi libre hat sich die „Spezialistin für Dolchstöße von hinten“ bereits selbst disqualifiziert.