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Archiv-Artikel

Die Messe swingt

Anti-kommerzielle Szene und Verkaufsstände – das scheint nicht zusammenzupassen. Trotzdem scheint die Messegesellschaft mit „Jazzahead“ auf gutem Weg eine neue Institution zu etablieren

von WILFRIED HIPPEN

Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch: Jazz versteht sich als improvisiert, frei und unangepasst, „kommerziell“ ist der Szene das schlimmstmögliche Urteil. Kann das zur typischen Atmosphäre einer Messe mit Vertragsverhandlungen und Verkaufständen passen?

Andererseits hat die Stadt solch einen Impuls bitter nötig, denn sie ist seit einem drastischen Einschnitt in den 90er-Jahren zur Jazzprovinz verkommen. Damals entfielen mit dem Moments und dem Kito kurz nacheinander zwei wichtige Spielstätten, und den örtlichen Veranstaltern gelang es nicht mehr, selbst mit großen Jazzstars die Säle zu füllen.

Und darum geht es schließlich der Messegesellschaft: Die Halle füllen, das ist ihre Grundmotivation auch bei „Jazzahead“. Aber Geschäftsführer Hans Peter Schneider war klug genug, sich mit Jazz-Professor Uli Beckerhoff und dem Leiter des Berliner Jazzfests Peter Schulze zwei Bremer einzubinden, die alles andere als provinziell denken. Schon 2006 hatten sie ein gut durchdachtes Programm zusammengestellt, mit dem sie Konzertveranstalter, Musiker, Verlagskaufleute und Medienmanager nach Bremen lockten. Damals herrschte wohlmeinende Neugierde vor: Was eine Jazzmesse sein könnte, wusste keiner so recht.

Im zweiten Jahr steht das Kind schon recht solide auf seinen eigenen Beinen. Mit Konzerten von Stars wie Joe Zawinul, dem Kenny Wheeler & John Taylor String Quartet oder der schwedischen Vokalistin Rigmor Gustafsson bot man abends publikumswirksame Events. Tagsüber war in vier Sälen unterschiedlicher Größe und Qualität von Freitag bis gestern viel und viel guter Jazz zu hören. Und jede Auftrittsreihe hatte eine eigene Strategie. So präsentierten sich im internationalen Austauschprogramm „European JazzXchange“ Formationen aus Norwegen, Schweden, Finnland, Italien und Ungarn. Aus Ländern also, auf die deutsche Veranstalter und Produzenten sonst seltener die Ohren richten. In einer anderen Schiene stellten deutsche Hochschulen mit einem Lehrgang Jazzmusik dem Fachpublikum vor und in einem Off-Programm konnten ausstellende Agenturen ihre Bands auftreten lassen.

Die Grundstimmung auf der Messe war beschwingt, sie scheint auf dem besten Wege sich zu einer Institution zu entwickeln: Insgesamt 149 Aussteller hatten sich angemeldet: Rund ein Drittel mehr als im Vorjahr. Für Labels, Fachzeitschriften, Agenturen, Veranstalter, Instrumentenbauer und auch einige CD-Verkäufer ist dies offensichtlich eine gute Plattform. Und obwohl die absoluten Zahlen noch nicht bekannt gegeben wurden, steht schon fest, dass deutlich mehr Gäste als im vergangenen Jahr kamen. Da waren es 3.500.