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Archiv-Artikel

Wenn der Regen fällt

Wladimir Klitschko produziert Fallobst, verteidigt seinen Titel souverän und hofft nun auf anspruchsvollere Gegnerschaft

AUS MANNHEIM BERTRAM JOB

Vier Schläge hintereinander, in Serie abgefeuert. Vier Schläge mit jener Linken, von der man sagt, es sei die beste im Schwergewicht. Darum kreiste dieser so groß inszenierte Boxabend in Mannheim, und damit ging er nach exakt 265 Sekunden auch jäh wieder vorbei. Wladimir Klitschko mochte sich in frühere Zeiten zurückversetzt fühlen, als ihm schlecht bezahlte Aufbaugegner im Monatsrhythmus vor die Füße fielen. Aber manchmal machen eben auch fürstlich entlohnte Gegner in einer Pflichtverteidigung des Weltmeister-Titels keinen Unterschied. Manchmal scheitern auch sie so jämmerlich wie Ray Austin.

Kurz vor dem ersten Gong hatte der übertragende Sender noch ein Porträt des 36-jährigen Profis aus Cleveland, Ohio, in der Halle ausgestrahlt. Darin erklärte der Herausforderer, warum man ihm den Beinamen „Rainmaker“ verpasst habe: Er könne unglaublich viele Treffer auf seine Gegner niederregnen lassen. An diesem Samstagabend aber prasselte es vornehmlich auf den Regenmacher selbst nieder. Mühsam aufgerappelt, aber sichtbar benebelt, wurde er Mitte der zweiten Runde vom energischen Ringrichter Eddie Cotton vor größerem Schaden bewahrt.

„Ich habe gestaunt, dass er überhaupt noch mal aufgestanden ist“, sollte Wladimir Klitschko später sagen. Noch mehr Gutes aber fiel auch ihm nicht zu der enttäuschenden Vorstellung seines Kontrahenten ein. Ray Austin war nicht nur „langsamer, als ich gedacht habe“ (Klitschko), sondern auch merklich vorsichtiger als in seinen lauten Ankündigungen vor dem Kampf. Ganz im Stile seines exaltierten Promoters Don King hatte der Herausforderer getönt, er werde den ukrainischen Champion der International Boxing Federation (IBF) in wenigen Runden vom Thron geprügelt haben.

In den Jubel mischten sich allerdings Unmutsäußerungen. Vor Klitschkos 51. Profikampf hatte man den Zuschauern 6 Vorkämpfe serviert, die in ihrer krassen Unausgewogenheit allenfalls Spurenelemente eines echten Wettbewerbs aufwiesen. Und daran schloss sich der Hauptkampf wie die Persiflage eines WM-Gipfels an. Man wird noch lange rätseln dürfen, wie der furchtsame Regenmacher zum höchstgehandelten Herausforderer im Ranking eines der sogenannt seriöseren Weltverbände aufsteigen konnte. Denn mit dem Bedauern des Siegers („Das ist eben Schwergewicht“) ist längst noch nicht alles erklärt.

Wladimir Klitschko immerhin verkörpert nach einhelliger Meinung inzwischen die Klasse, die er früher immer nur andeuten konnte. „Er mag noch nicht perfekt sein“, befand Star-Kommentator Larry Merchant vom amerikanischen Sender HBO, „aber er ist schon verdammt gut. Und er schlägt alle, die ihn herausfordern. Mehr kann ein Champion nicht tun.“ Klitschkos Trainer Emanuel Steward freute sich ähnlich über seinen Schützling: „Niemand im Boxen ist heute so gut wie Wladimir Klitschko.“

Der so gelobte Champion möchte „in Zukunft so weitermachen mit Kämpfern von Don King“, was man getrost wörtlich nehmen darf. Die abschätzigen Sprüche des Promoter-Tycoons hatten den IBF-Weltmeister im Vorfeld „wahnsinnig motiviert“. Ein am Freitag ausgebrochener Streit um die Wahl der Handschuh-Fabrikate, während dem King mit Abreise drohte, hat das Verhältnis zwischen den beiden Lagern auch nicht entspannter werden lassen. Daran schloss die Weigerung des Austin-Camps, zur anschließenden Pressekonferenz zu erscheinen, nahtlos an.

Das nächste Prestigeduell aber ist zumindest angebahnt, denn bis Ende dieses Jahres möchte Klitschko dem konkurrierenden WBA-Champ Nikolai Valuev, je zur Hälfte im Besitz von King und Wilfried Sauerland, im Ring begegnen. Dann dürfte es wieder regnen, und zwar nicht zu knapp.