: Burgfrieden mit Bauernopfern
Mitgliederversammlung bringt Ende des Machtkampfs beim FC St. Pauli. Präsident Corny Littmann bleibt im Amt, seine Stellvertreter aber werden ersetzt. Drei Aufsichtsräte müssen zurücktreten, um die Spaltung des Vereins zu verhindern
Der Machtkampf in der Führungsetage des FC St. Pauli ist beendet – zumindest vorläufig. Am Ende einer sechsstündigen Jahreshauptversammlung im Hamburger Congress Centrum einigten sich am Sonntagabend Präsidium und Aufsichtsrat auf einen Kompromiss, der die weitere Arbeitsfähigkeit der Vereinsspitze gewährleisten soll.
Die Einigung, der mehr als zwei Drittel der Mitglieder zustimmten, sieht vor, dass der vom Aufsichtsrat attackierte Theaterchef Corny Littmann zumindest bis Herbst Präsident des Kiez-Clubs bleibt. Seine Stellvertreter Marcus Schulz und Klaus Rummelhagen aber werden als Bauernopfer ihren Hut nehmen und unter anderem durch den Hamburger Textilunternehmer Stefan Orth sowie Ex-Spieler Carsten Pröpper ersetzt. Der Aufsichtsrat hatte Orth bereits vor zwei Wochen als neuen Präsidenten nominiert, war damit aber vor Gericht gescheitert.
Auch die Kontrolleure kamen nicht ungerupft davon: Drei der sieben Aufsichtsräte müssen umgehend zurücktreten. Kontrolleur Holger Scharf kündigte noch am Abend an, von seinem Amt zurückzutreten, weil er nicht weiter mit Littmann zusammenarbeiten könne.
„Wir mussten diesen Kompromiss akzeptieren, weil sonst der Verein gespalten worden wäre“, begründete Aufsichtsrats-Sprecher Tay Eich das Einlenken der Kontrolleure. Zuvor hatten Präsident und Aufsichtsräte einander lautstark mit Vorwürfen traktiert und mehrfach betont, mit der Gegenseite sei eine „weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich“.
Die Mehrheit der Mitglieder aber machte während der Versammlung deutlich, dass sie „ihren Präsidenten“, der für die finanzielle Sanierung des bis zu Littmanns Amtsantritt insolvenzgefährdeten Clubs steht, behalten möchte, weil sie nur ihm die Realisierung des Stadionneubaus zutraut. Lediglich die „Ultras St. Pauli“, eine Fangruppe aus dem linken Spektrum, machten deutlich, dass sie Littmann gern in die Wüste schicken würden.
Um eine Spaltung des Vereins zu vermeiden, hatte vor allem Kassenprüfer Lars Sörensen versucht, die zerstrittenen Parteien zu einem für alle Seiten tragbaren Kompromiss zu bewegen. Orth kündigte schließlich an, „mit Corny Littmann“ zusammenarbeiten zu wollen.
Kurios an diesem Kompromiss: Während mit Schulz und Rummelhagen ausgerechnet diejenigen Präsidiumsmitglieder zurücktreten müssen, die von der Aufsichtsrats-Kritik weitgehend ausgenommen blieben, werden mit Tay Eich und Michael Burmester gerade diejenigen Kontrolleure weitermachen, die in den vergangenen Wochen das meiste Öl ins Feuer gegossen haben. Zwar versprachen beide Seiden, zur konstruktiven Zusammenarbeit zurückkehren zu wollen, doch wie lange der Burgfrieden halten wird, bleibt ungewiss. Littmann jedenfalls glaubt an die neue Chance: „Wir müssen uns ja nicht mögen, der Verein ist ja schließlich kein Swinger-Club.“ MARCO CARINI