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Archiv-Artikel

Luftangriff der Tamilen-Tiger

Erstmals setzt die tamilische LTTE in Sri Lanka Flugzeuge ein, um eine Luftwaffenbasis zu bombardieren. Die Aussichten, den Friedensprozess noch wiederzubeleben, schwinden

WIEN taz ■ Drei tote Soldaten und 16 Verletzte sind die vorläufige Bilanz eines Angriffs der tamilischen Rebellenorganisation LTTE auf die Luftwaffenbasis Katunayake nördlich der sri-lankischen Hauptstadt Colombo. Kurz nach Mitternacht Ortszeit setzten die Tamil Tigers bei der gestrigen Attacke erstmals ihre Luftwaffe ein und warfen zwei Bomben ab. Nach offiziellen Meldungen wurde ein Parkplatz für Flugzeuge und Kampfhubschrauber getroffen, aber kein Fluggerät beschädigt. Der daneben liegende internationale Flughafen wurde aus Sicherheitsgründen vorübergehend geschlossen.

Augenzeugen, die in der Wartehalle des Internationalen Flughafens von den Detonationen überrascht wurden, berichteten von feuerwerksähnlichen roten Lichtern am Nachthimmel und Maschinengewehrfeuer. Die Rebellen selbst machten keine Angaben über die angerichteten Zerstörungen. Militärsprecher Irasaiah Ilanthiraiyan bestätigte aber, dass die beiden eingesetzten Leichtflugzeuge sicher in das Rebellengebiet zurückgekehrt seien. Bisher hatte man vermutet, dass die kleinen Kampfflugzeuge eher für Selbstmordattentate eingesetzt werden würden. Ilanthiraiyan bezeichnete die Kommandoaktion als „vorbeugenden Schlag“ gegen die Luftwaffe, die zuletzt immer wieder auch zivile Ziele im tamilischen Siedlungsgebiet angegriffen hatte. Außerdem gibt es Spekulationen über eine bevorstehende Großoffensive der Armee.

Vor einem Monat jährte sich das Waffenstillstandsabkommen zwischen Regierung und LTTE zum fünften Mal. Allerdings besteht das Abkommen seit dem Amtsantritt von Präsident Mahinda Rajapakse im November 2005 nur mehr auf dem Papier. Seither sind in Kämpfen, bei Hinterhalten, Razzien und Luftangriffen mehr als 4.000 Menschen getötet worden.

Bei einem Bodenangriff auf die Luftwaffenbasis im Jahre 2001 hatte die LTTE die halbe Luftflotte der Armee vernichtet. Der erstmalige Einsatz von „Air Tigers“ erhärtet Berichte, dass die LTTE in den vergangenen Monaten Flugzeugteile ins Land geschmuggelt und zusammengesetzt hat. Laut LTTE handelt es sich bei ihrer Luftwaffe allerdings um selbstgebastelte Maschinen, die seit 1998 gebaut wurden. Wie viele es sind, wird nicht bekannt gegeben. Das im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens von der LTTE verwaltete Territorium im Norden des Landes verfügt über nur eine bekannte Stadt- und Landebahn, die jüngst von der Armee bombardiert wurde.

Die Zuspitzung der vergangenen Monate hat nicht nur tausende Tote gefordert und zehntausende Menschen vertrieben, sondern auch die Aussichten auf eine politische Lösung des ethnischen Konflikts zwischen singhalesischer Mehrheit und tamilischer Minderheit getrübt. So spricht die LTTE wieder von staatlicher Eigenständigkeit des Tamilengebietes und nicht mehr von weitgehender Autonomie, wie sie die auf Eis liegenden Friedensverhandlungen anstrebten. Norwegische Vermittler bemühen sich nach wie vor, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. RALF LEONHARD