: Herr Schumann, Hisbollah
Menschen in Beirut (2): Hassan Chuman, Bürgermeister des regierungskritischen Schiiten-Campinglagers
Die radikalislamische Hisbollah hat seit vergangenem Dezember ein Campinglager im zentralen Distrikt der Hauptstadt, in Downtown Beirut, aufgeschlagen. Hier gingen gutsituierte Libanesen vor dem letzten Sommerkrieg gerne shoppen. Geschäftsleute haben hier ihre Büros, Regierungsgebäude und internationale Banken, von denen viele im Libanon tätig sind, sind hier angesiedelt.
Es gibt alles auf westlichem Niveau, Beirut versucht, am Ruf des Internationalen festzuhalten. Gucci, Armani, Prada, feine Champagner und edle Straßencafés, in denen ein Latte Macchiato gerne an die fünf Euro kosten kann. Doch seit Dezember haben viele Geschäfte dichtgemacht.
Hassan Chuman (oder in deutscher Umschrift: Hassan Schumann) ist der Bürgermeister vom „Hisbollah Camping“, dem schiitischen Zeltlager in Beirut. Das Ziel der großangelegten Camping-Aktion ist es, die angeblich korrupte Regierung zu stürzen und den Libanon in einen schiitischen Gottesstaat zu verwandeln. Um dies zu erreichen, campieren hunderte, an Wochenenden auch tausende Schiiten aus dem ganzen Land rings um den Märtyrerplatz. Alle umliegenden Straßen sind durch Militär und Panzer abgesperrt, es gibt Taschenkontrollen.
Es wird Parteipropaganda geschmettert, gekocht und Wasserpfeife geraucht. Nachts tanzen die jungen Männer im zentralen Festzelt zu Livemusik Dabka, den arabischen Schreittanz.
Hassan Schumann lebte mit seiner Familie bis Mitte der Neunziger Jahre in Berlin, in der Fuggerstraße. „Direkt neben Romy Haag, das ist ein Mann oder eine Frau, so genau weiß das keiner, kennen Sie Romy?“, fragt er scherzend in stark akzentuiertem Deutsch. „Wir in Libanon haben auch solche Leute“, sagt er lachend.
In Deutschland war Herr Schumann als „Autodealer“ tätig. Deutschland ist für ihn „ein gutes Land, in dem alles funktioniert“, er habe viel von den Deutschen und ihrem Organisationstalent gelernt.
Die Sehnsucht nach dem Libanon holte ihn nach sieben Jahren in der Fremde ein. Trotz seines deutschen Passes ging er zurück.
Derzeit übernimmt Herr Schumann („Bitte nennen Sie mich Hassan“) als „Bürgermeister“ administrative Funktionen. Essenanlieferungen. Hygiene, Sauberkeit und Ordnung im Camp müssen organisiert und gewährleistet werden – das sind seine Aufgaben.
Auch kümmert er sich darum, dass der Fernsehsender der Hisbollah, al-Manar, der jetzt aus dem Untergrund sendet, da seine Sendegebäude von den Israelis im letzten Krieg komplett zerstört wurden, live und direkt aus dem Zeltlager übertragen kann. Er läuft an den beiden TV-Technikern des Propagandasenders vorbei, die von einem kleinen Zelt hinter der Festbühne aus operieren.
Er grüßt sie.
Den Strom, der hier benötigt wird, auch um die Reden von Parteichef Hassan Nasrallah und die der Imame auf Leinwände zu übertragen, zapfen Herrn Schumanns Techniker einfach von den in ganz Beirut lose herumhängenden Stromkabeln ab. „Schauen Sie, was wir hier alles machen können – und keiner kann es uns verbieten“ erklärt er, während er sein mehrere Fußballfelder großes Lager, dekoriert mit Flaggen, Märtyrergemälden und Parteiplakaten, mit einer ausladenden Handbewegung präsentiert.
„Aber alles läuft. Ich liebe Deutschland!“, sagt er.
JASNA ZAJCEK