: Der Physiker, der die Bombe nicht liebte
Nur „einer göttlichen Gnade“ habe er es zu verdanken, dass er für Hitler nicht die Atombombe baute, bekannte der Atomphysiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker vor einigen Jahren. Der am Sonnabend nach schwerer Krankheit im Alter von 94 Jahren verstorbene Atomphysiker war einer der Ersten, die schon vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges erkannten, dass der Bau einer neuartigen Bombe mit unvorstellbarer Sprengkraft möglich sei. Der Diplomatensohn arbeitete unter anderem mit Werner Heisenberg und Otto Hahn im 1939 gegründeten deutschen Uranprojekt an der Erforschung der Kernspaltung. „Naiv“ nannte es von Weizsäcker später einmal, dass er die Illusion hatte, die im Uranverein versammelte „Atomelite“ könnte Hitler kontrollieren und auf einen friedlicheren Weg drängen.
Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes und einer mehrmonatigen Internierung in Großbritannien übernahm Carl Friedrich von Weizsäcker 1946 eine Abteilung des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen. Seine einstige Beteiligung an dem Uranprojekt bestimmte jedoch sein weiteres Wirken. Die Verantwortung und Ethik in den Naturwissenschaften rückten in den Vordergrund. Von Weizsäcker forderte, dass Wissenschaftler sich ihrer Verantwortung stellen müssen – auch wenn die Folgen ihrer Ergebnisse nicht gewollt sind.
Von Weizsäcker scheute nicht davor zurück, sich bei den damals regierenden politischen Entscheidungsträgern unbeliebt zu machen. Als Mitte der Fünfzigerjahre der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und sein Atom- und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) die Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen aufrüsten wollten, initiierte von Weizsäcker zusammen mit 17 weiteren Atomforschern einen Gegenaufruf. In dem am 12. April 1957 veröffentlichten Göttinger Manifest stellten die Atomphysiker auch klar, dass sie sich nicht „an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise“ beteiligen werden.
Vier Jahre später war von Weizsäcker dann am Tübinger Memorandum beteiligt, das sich gegen eine atomare Aufrüstung und für eine Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze aussprach.
Die Friedenspolitik ließ den Atomphysiker nicht mehr los. Von 1970 bis 1980 leitete er zusammen mit dem Philosophen Jürgen Habermas das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt. Nach seiner Pensionierung wurde die von Weizsäcker als „Institut für unbequeme Fragestellungen“ bezeichnete Einrichtung geschlossen – es fehlte ein geeigneter Nachfolger. WOLFGANG LÖHR