: Streit um Atomkraft spaltet Klimaschützer
Atomkraftgegner sind unzufrieden mit dem UN-Klimabericht. Kanzlerin Merkel fühlt sich in ihrer Politik „bestätigt“
BERLIN taz ■ „Immerhin ein Kompromiss“ sei es geworden, sagte Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) gestern nach der Vorstellung des UN-Klimareports in Bangkok. Aber in seinen Augen ist dieser Kompromiss „kein sehr glücklicher“.
Der Wermutstropfen ist für ihn der Streit um die Atompolitik. Viele Delegierte des IPCC setzen auf Atomkraft zur Lösung des Klimaproblems. Kleiner Erfolg für Müller: Der Bericht verweist jetzt auch auf die damit verbundenen Risiken. Nach Ansicht Müllers würden erneuerbare Enerigen sehr viel mehr bringen und dazu noch weniger kosten als die Atomkraft. Bloß: „Es gibt im Augenblick kein Land, das ausreichend das tut, was für den Klimaschutz notwendig wäre“, so Müller gestern im RBB-Inforadio.
Enttäuscht zeigte sich auch einer der Mitautoren des Reports, Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg. Das Prinzip der Nachhaltigkeit sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Beim Thema Atomenergie werde „der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben“. Im Bericht werde nur auf den CO2-Ausstoß geachtet. Die Risiken einer späteren Lagerung atomarer Abfälle blieben jedoch weitgehend unberücksichtigt. Zu optimistisch sehen die IPCC-Autoren nach Ansicht des Flensburger Professors das umstrittene CCS-Verfahren. Damit soll CO2 aus Kohlekraftwerken herausgefiltert und unterirdisch gelagert werden. Die Technik ist jedoch noch längst nicht anwendungsreif. „Solche unterirdischen Speicher sind eine Sackgasse“, so Hohmeyer.
Die Bundesregierung zeigte sich mit dem Ergebnis des Klimaberichts zufrieden. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte ihn eine „wichtige Bestätigung“ für den umweltpolitischen Kurs der Bundesregierung. Klimaschutz ist ein zentrales Thema der EU- und G-8-Präsidentschaft der Bundesregierung.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel mahnte zur Eile: „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, betonte er gestern in Berlin. Man müsse jetzt entschlossen handeln, um irreparable Klimaschäden zu vermeiden.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, der Bericht zeige, dass es die Chance gebe, Wohlstand und Wachstum mit aktivem Klimaschutz zu vereinbaren. „Wir müssen diese Möglichkeit entschieden nutzen.“
Verbände und Umweltschutzorganisationen forderten die Bundesregierung zu raschem Handeln auf. Noch stehe ein kurzes Zeitfenster offen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur unter dem gefährlichen Grenzwert von 2 Grad zu halten, erklärte Regine Günther vom WWF Deutschland. Die Zeit der Lippenbekenntnisse sei vorüber.
Der Präsident des Naturschutzbundes, Olaf Tschimpke, betonte, dass „die Kosten für frühzeitigen Klimaschutz geringer ausfallen als die durch einen ungebremsten Klimawandel verursachten Schäden“. Auch Greenpeace Deutschland mahnte eine sofortige Umsetzung des Berichts an. „Seit heute liegen die Fakten auf dem Tisch“, sagte Greenpeace-Expertin Gabriele von Görne. Nötig seien nun politischer Wille und konkrete Schritte. SIMONE MIESNER