: Die vierte Gurke
KEIM Drei Gurken, in denen Ehec-Erreger gefunden wurden, kamen aus Spanien. Woher die vierte stammt, ist weiter unklar. Jetzt rächt sich, wie undurchsichtig die Warenwege sind
VON JOST MAURIN
Wo kommt sie bloß her, die vierte Ehec-Gurke? In vier Gurken haben die Hamburger Behörden die Gruppe der Keime gefunden, die seit ihrem jüngsten Ausbruch mindestens neun Menschen das Leben gekostet haben. Noch ist unklar, ob der derzeit grassierende, besonders aggressive Untertyp O104 dabei war. Aber auch die anderen Ehec-Typen können zum Beispiel Nierenversagen verursachen. Drei der verseuchten Gurken kamen aus Spanien, was auf eine Infektionsquelle in dem Land hindeutet. Doch woher die vierte Gurke stammt, liegt auch eine Woche nach den Funden im Dunkeln. Für die Sicherheit der Lebensmittel und damit der Verbraucher ist das ein Problem.
Denn wenn man die Herkunft der vierten Gurke nicht kennt, lässt sich auch nicht zuverlässig herausfinden, wo überall die Bakterien in die Lebensmittelkette gelangt sind. Die Folge: Die Quelle kann nicht gestoppt werden. Es werden wohl weitere Menschen sterben, weil sie ganz normale Lebensmittel gegessen haben.
Sollten nicht alle Gurken aus Spanien kommen, könnte das bedeuten: Der Infektionsherd ist gar nicht in dem Land, sondern etwa in Hamburg auf dem Großmarkt – oder es gibt mehrere Produktionsländer, in denen Gurken verseucht werden.
Was die Behörden zur Herkunft der Gurke offenbaren, gibt Rätsel auf. Der Ursprung sei unklar, erklärte die Hamburger Gesundheitsbehörde erst. Dann war davon die Rede, dass die Gurke aus den Niederlanden geliefert, aber nicht unbedingt dort produziert worden sei. Schließlich hieß es, die Gurke sei aus Dänemark oder den Niederlanden in Deutschland angekommen. Ein ziemliches Chaos.
Eigentlich muss jedes Unternehmen Lieferscheine aufbewahren, aus denen hervorgeht, woher ein Produkt gekommen ist. „Aber nicht jeder Laden hat eine hundertprozentige Buchführung“, sagt der Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, Rico Schmidt.
Das wirkt sich besonders negativ aus, weil die Lieferwege in der globalisierten Wirtschaft extrem verschlungen sein können. Die vierte Ehec-Gurke zum Beispiel entdeckten die Behörden dem niederländischen Gesundheitsministerium zufolge in einem Hamburger Restaurant. Dieses Restaurant hatte sie von einem Großhändler gekauft. Dieser Großhändler bekam sie von einem weiteren Großhändler in Dänemark oder Holland, so genau lässt sich das offenbar wegen Mängeln in der Buchführung nicht mehr nachvollziehen. Auf jeden Fall ging die Kette aber noch weiter. Die Großhändler bezogen die Gurke nämlich von einem Erzeuger. Dort beginnt der Weg der Ware.
Auch bei früheren Problemen mit Lebensmitteln erschwerte oder verhinderte die schlechte Rückverfolgbarkeit, die Ursachen von Kontaminationen zu finden. Regelmäßig zeigt sich das, wenn zu viel des Gifts Dioxin im Essen gefunden wird. Woher das Dioxin aus dem letzten Skandal zur Jahreswende kam, weiß man bis heute nicht genau.
Wer den Wahnsinn langer Lieferketten umgehen will, kann zumindest einen Teil seiner Lebensmittel beim Erzeuger direkt kaufen. Viele Biobauern liefern Gemüsekisten, die sie auf Wunsch nur mit Produkten vom eigenen Hof füllen. Wenn da etwas passiert, ist die Ursache schnell gefunden.
Doch das ist keine Lösung für die Masse. Deshalb muss die Lebensmittelbranche ihre Warenströme besser dokumentieren. Dazu sind auch schärfere Gesetze und Kontrollen nötig. Aber bis die kommen, dürften wohl noch einige Skandale passieren.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8