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Archiv-Artikel

Liebe minus nichts

UNIVERSALGENIE Das Kreuzberger Original Klaus Beyer ist zurück mit einem neuen Album namens „Unvergessliche Jahre“. Dazu findet im Regenbogenkino eine Werkschau seiner Super-8-Filme mit Lesungen und Konzerten statt

2007 erlitt Klaus Beyer einen Schlaganfall, verlor die Fähigkeit, zu sprechen. Angst, nicht mehr singen zu können, will er allerdings nie gehabt haben: „Am Anfang war es schwer, aber ich wurde gut gepflegt“

VON THOMAS VORREYER

„Es gibt keinen Erfolg durch Scheitern, und Scheitern ist eben auch kein Erfolg.“ Der ältere Mann singt die Zeilen fast so tief und stoisch, wie es Nico tat. Die große Sängerin, bürgerlich: Christa Päffgen, hatte einst ihr Berlin gen Paris und später New York verlassen, um etwa mit Andy Warhol und The Velvet Underground zu arbeiten. Klaus Beyer, grauschwarzes Haar, glänzende Teddy-Augen und eigentlich eher mit hoher dünner Stimme, ist seinem Berlin hingegen treu geblieben.

„Liebe minus nichts“ heißt der zitierte Song. Im Original stammt er von Bob Dylan, bekannt gemacht haben ihn die Walkers Brothers und Beyer wiederum hat ihn in der ihm ganz eigenen Weise übersetzt. „Privat ist das tatsächlich eine Anlehnung für mich“, sagt der 62-Jährige, mittlerweile seit zwei Jahren mit seiner Schwester in Lichtenrade lebend. Für das Interview ist er nochmals in seine Kreuzberger Heimat zurückgekehrt.

Mitten ins Herz

Bekannt wurde Klaus Beyer mit seinen deutschsprachigen Re-Interpretationen von Beatles-Songs. 1980 begann er damit, um der des Englischen nicht mächtigen Mutter seine Begeisterung für die Band verständlich zu machen. Seit 1999 hat er alle 13 Alben der „Fab Four“ beyerisiert und nacheinander veröffentlicht. Vor drei Jahren erfolgte der Abschluss mit „Das Weiße Album“. Bei Beyer ist „Glück (?) ein warmes Gewehr“ – und es trifft nicht immer, aber doch sehr oft mitten ins Herz.

Den damals angekündigten Rückzug von der Bühne hat der Musiker nicht durchhalten können. „Unvergessliche Jahre“ heißt ein neues Album mit passendem Titel, das zu einer viertägigen, am Donnerstag im Regenbogenkino beginnenden Werkschau live vorgestellt wird. Versammeln wird es zwar auch manche Aneignung, jedoch keine der Beatles, und vor allem eigene Stücke. Beyer tritt hier endlich auch als Urheber in den Vordergrund. Fast 200 Songs will er geschrieben haben. Einige bereits in den 80ern, andere erst vor Kurzem. Knapp 160 hat er letztendlich Frank Behnke, seinem Manager und selbst Musiker (ehemals bei der Band Mutter) sowie Filmemacher, übergeben, damit dieser daraus das Album kompiliert.

Ob „Liebe minus nichts“ dann dabei sein wird, kann Klaus Beyer noch nicht sagen. Es ist aber ein heißer Anwärter, ebenso wie das Spaßstück „Zahnprothese“, dessen Musik andauernd zwischen entspanntem Pop-Rock und Nashville-Country changiert. „Ich wollte das so, damit es nicht so einfältig ist“, meint der Künstler. Seine großen Vorbilder hatten auch oft derartige Rhythmuswechsel. Und ohnehin: „Die Beatles waren für mich immer die Größten – und ich im Vergleich dazu ganz unten.“ Seine Hand sackt auf die Tischplatte zurück.

Vor „Zahnprothese“ habe er lange ernstere Angelegenheiten aus dem eigenen Leben verarbeitet. 2007 erlitt er einen Schlaganfall, verlor kurz die Fähigkeit, zu sprechen. Angst, nicht mehr singen zu können, will er allerdings nie gehabt haben: „Am Anfang war es schwer, aber ich wurde gut gepflegt.“

Gewissermaßen war die Erkrankung sogar eine Art Lösung. Zehn Jahre zuvor war der gelernte Kerzenzieher nach Jahrzehnten der Betriebstreue arbeitslos geworden, fand nirgendwo Anstellung. Als Erwerbsuntätigkeitsrentner von der Suche befreit, blieb Beyer plötzlich noch mehr Zeit für seine Musik. Mit dem „Unvergessliche Tage“ (sic) ist Beyer jetzt so etwas wie sein eigenes „Imagine“ gelungen, ein Plädoyer für Rücksicht und Nachhaltigkeit.

CD-Spieler und Digicam

Aufgenommen wird mittlerweile mit CD-Playern statt Tonbandmaschinen. Auch sein filmisches Schaffen, neben der Musik und der Schauspielerei für Regisseure wie den verstorbenen Christoph Schlingensief oder Jörg Buttgereit Beyers drittes Standbein, entsteht jetzt statt auf Super-8 mit einer digitalen Handkamera.

So sollen während der Werkschau auch zwei neue Beyer-Filme ihre Premieren feiern. In „Arbeitssuche“ fliegt ein Stotternder aus jedem Job, bis er nach ärztlichem Rat schließlich zu singen anfängt. Das zum Zeitpunkt des Interviews noch fertig zu schneidende „Euro und Becher“ ist an Peter Frankenfelds Sketch „Fleckenstift Eukrasit“ angelehnt. Beide Werke werden im Regenbogenkino neben Beyers Beatles-Filmen, älteren, absurd-komischen Clips wie „Die Glatze“ und TV-Mitschnitten aus jener kurzen Zeit rund um 2000, als Beyer ein kleiner Fernsehstar war, zu sehen sein.

„Ich freue mich, dass alles immer weitergeht“, frohlockt Klaus Beyer heute. „Nach der Beatles-Zeit dachte ich, dass es nun vorbei wäre, aber dann habe ich doch den Mut gefasst, überwiegend mit meinen eigenen Stücken aufzutreten.“ Und diese können sich durchaus mit seinen Übersetzungen messen.

■ Klaus-Beyer- Werkschau ab heute bis zum 27. Oktober im Regenbogenkino. Heute abend liest Klaus Beyer und am Samstag tritt er zweimal live auf

■ Am Sonntag, 26. Oktober gibt es ein Gespräch mit Matl Findel, Georg Maas, Jörg Buttgereit, Frank Behnke und Klaus Beyer

■ Am Montag, 27. Oktober wird Richard Lesters Beatles-Film „A Hard Days Night“ gezeigt