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Archiv-Artikel

Pazifismus adieu?

STREITFRAGE Der Vormarsch des Islamischen Staats in Syrien scheint unaufhaltsam. Muss man sich der Terrorgruppe nicht entgegenstellen - und zwar mit Waffengewalt?

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Die Streitfrage wird vorab online gestellt.Immer ab Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante Antwort aus und drucken sie dann in der taz.am Wochenende.

www.taz.de/streit oder www.facebook.com/taz.kommune

Redaktion der Gastbeiträge: Laura Backes, Waltraud Schwab, Sebastian Kempkens

Bildnachweise: Sedat Suna/EPA/dpa, Grüne Jugend und privat (4)

Michael Wolffsohn

Im globalen Dorf betreffen Kriege in fernen Regionen uns direkt. Die Flüchtlinge strömen zu uns, Terroristen zielen auf uns. Um das zu verhindern, interveniert die deutsche Politik vor allem seit 1999 (Kosovo) und 2002 (Afghanistan) unter Rot-Grün und ebenso unter CDU/CSU-Führung weltweit. Die Öffentlichkeit sieht das inzwischen ähnlich. Die Grundüberlegung lautet: Wenn wir nicht in die Welt gehen, kommt die Welt zu uns. Die Analyse stimmt. Sie ist auch nicht zynisch, wenngleich als „humanitäre Intervention“ überzuckert. Das Abschlachten muss durch Dritte beendet werden. Aber Dauerinterventionen bringen nichts. Sie ersetzen keine Friedenskonzeptionen. Wenn die zentralistischen Staaten nicht föderal umgebaut werden, gibt es noch viel mehr Kriege.

Michael Wolffsohn, 67, hat an der Universität der Bundeswehr in München Geschichte gelehrt und fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland.

Marianne Bade

Kriege entstehen nicht aus Überlegenheit, sondern aus Ohnmacht. Wo Menschen keine Chancen auf ein auskömmliches Leben sehen, wächst Wut und Gewalt. Deshalb können Pazifisten Kriege nicht verhindern, sie können aber daran arbeiten, dass die Welt gerechter wird. Wahrscheinlich für viele naiv, aber alternativlos.

Marianne Bade, 62, aus Mannheim ist taz-Leserin und hat die Streitfrage auf Facebook kommentiert.

Theresa Kalmer

Pazifistische Politik bedeutet für mich global Verantwortung zu übernehmen. Dazu zählt in erster Linie humanitäre Hilfe, Aufnahme von Geflüchteten und Diplomatie. Militärisches Eingreifen sollte immer als letztes Mittel in Erwägung gezogen werden, bedarf dem „Go“ der UNO und einer klaren Gesamtstrategie. Frieden erreicht man nicht mit Militär und Waffen.

Theresa Kalmer, 23, ist Sprecherin der Grünen Jugend und Mitglied beim BUND.

Josef Joffe

Wer Gewaltverzicht zum höchsten aller Werte erklärt, sagt im Grunde, dass er bereit sei, alle anderen Werte zu verraten: Freundschaft, Familie und Nation, dazu Gerechtigkeit, Freiheit und den Schutz des Schwächeren. Diese Position ist absurd. Sie lässt sich genauso lange durchhalten wie ein Ritt auf der Kreissäge.

Josef Joffe, 70, ist Herausgeber der Zeit und Dozent für Internationale Politik an der Universität Stanford.

Guido Steinberg

Pazifismus heute ist verantwortungslos. Deutschland muss militärisch gerüstet sein, um Russland abschrecken zu können, die Fähigkeit zu erhalten, feindliche Regime wie im Iran am Bau von Atomwaffen zu hindern und Terroristen wie die des IS in ihren Verstecken auffinden, fassen und auch töten zu können.

Guido Steinberg, 46, erforscht für die Stiftung Wissenschaft und Politik den Nahen Osten und war früher Referent für Terrorismus im Bundeskanzleramt.