: Dem Dilettantismus ein Ende
Der Kulturrat fordert eine Neubewertung von „Kultur“ als Querschnittsaufgabe. Rot-Grün will das auch
Steht Bremen vor einer kulturpolitischen Wende? Acht Jahre lang wurde das Fachressort, unter Einsatz von fünf Senatoren und einer Staatsrätin, von der CDU geführt. Die schreibt sich auf die Fahne, in dieser Zeit den Kulturhaushalt um rund zehn Prozent gesteigert zu haben. Sie verweist auf die bauliche Sanierung einer Reihe großer Kultureinrichtungen, außerdem sei, mit Ausnahme des „Waldau“, nichts geschlossen worden.
Der Bremer „Kulturrat“ hingegen kritisiert die „bisherige Praxis, Kultur als Kostgänger und verzichtbaren Luxus zu betrachten“. Die Vertreter der Szene fordern, „die kulturpolitische Sprach- und Dialoglosigkeit der letzten Kultursenatoren“ nicht fortzusetzen. Die politische Verantwortung für Kultur dürfe nicht länger als „Wanderpokal“ verschoben und Kultur einem fachlich nicht ausgewiesenen Senator „angehängt“ werden.
In der Tat war es in der Vergangenheit bizarr, zu beobachten, wie etwa bei der Amtseinführung von Peter Gloystein dessen Bücherinteresse und hobbymäßig betriebenes Kunstsammeln hervorgehoben wurden: Gepflegter Dilettantismus galt als „glückliche Voraussetzung“ für die Führung eines Amtes, in dem die Arbeitsbedingungen von Hunderten hochqualifizierter Fachkräfte geprägt werden.
Ein nochmaliges „Wandern“ des Ressorts wird freilich durch das Positionspapier des Kulturrats selbst nahegelegt. Die bisherige „Dominanz des Wirtschaftlichkeitsgedankens“ sei eine Fehlentwicklung, Kultur müsse „als Querschnittsaufgabe“ verstanden werden. Diese Forderung passt zu der wiederholt geäußerten Absicht, „Kultur“ organisatorisch an die Senatskanzlei anzudocken. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) würde damit zum Kultursenator werden. Dass damit keine Frühstücksdirektor-Funktion gemeint ist, zeigt sich an Böhrnsens Bereitschaft, das von ihm verantwortete Justizressort gegebenenfalls an Ulrich Nußbaum abzugeben.
Kommenden Mittwoch beraten die rot-grünen RegierungsanwärterInnen über Bremens künftige Kulturpolitik. Großer Streit ist nicht zu erwarten, wobei spannend bleibt, wie sich die Koalitionäre in spe zu konkreten Projekten wie dem Kunsthallenanbau – und der entsprechenden Betriebskostenerhöhung – verhalten. Rot-grüne Schnittmengen sind in jedem Fall die Bündelung bislang verstreut ressortierender Mittel wie „Anschluss-Investitionsprogramm“ (AIP) und „Wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm“ (WAP), mit denen auch Kultur gefördert wird. Außerdem mehrjährige Zuwendungskontrakte, der organisatorische Umbau des Kulturressorts sowie Transparenz (und zuverlässiges behördliches Handeln) bei der Vergabe von Geldern. All dies findet sich auch im Papier des Kulturrats wieder. Zumindest an der Breite des Konsens’ wird eine neue kulturpolitische Ägide nicht scheitern.
Henning Bleyl