Auf der friesischen Croisette

Auf dem 18. Internationalen Filmfest Emden präsentiert sich das neue britische und deutsche Kino

Ganz so glamourös wie in Cannes kann man in Emden zwar nicht promenieren, und es riecht eher nach Fisch als nach Espresso. Aber wenn das Wetter mitspielt, hat auch das ostfriesische Filmfest einen leicht mediterranen Charme. Inzwischen ist es ja nur noch dem Titel nach das Filmfest Emden, denn die Stadt bildet zwar mit insgesamt fünf Abspielstätten den Mittelpunkt der Festivitäten, doch viele Filme werden in den Kinos von Aurich, Leer und Norden wiederholt. In Norderney können die Badegäste die Höhepunkte des Filmfests sogar im feudalsten Kino Norddeutschlands genießen, denn dort werden sie im prachtvollen Residenztheater gezeigt. Doch von diesem edlen Ambiente einmal abgesehen ist dies ein sehr bodenständiges, geradezu gemütliches Filmfest. Da schreckt es kaum jemanden ab, wenn in Emden Filme im schwartigen „Verzehrkino“ Apollo oder als kaum erkennbare Videoprojektionen im Saal der Volkshochschule gezeigt werden. Sich darüber aufzuregen gehört inzwischen ebenso zur Tradition wie die Treue der Emder zu dem Filmemacher Bernhard Wicki, der in seinen letzten Lebensjahren Stammgast und fast so etwas wie ein Maskottchen des Filmfestes wurde. Seit 2000 ist der vom Publikum ausgewählte Hauptpreis des Festivals nach ihm benannt und in diesem Jahr wird er mit der deutsche Erstaufführung seiner Filmbiografie „Verstörung – und eine Art vom Poesie“ von seiner Witwe Elisabeth Wicki-Endriss geehrt. Diesen Film versteht die Regiedebütantin als sein Vermächtnis, und so kann man kaum ein distanziertes, mit kühlem Kopf inszeniertes Werk erwarten. Stattdessen wird es oft arg pathetisch, wenn etwa Maximilian Schell weihevoll von seinem alten Freund erzählt oder die Kamera gleich mehrfach langsam über alle Auszeichnungen in Wickis Glasvitrine fährt.

„The British are coming“ hieß viele Jahre lang die spannendste Programmschiene des Festivals. Jetzt wird sie „New British & Irish Cinema‘‘ genannt, aber zum Glück hat sich sonst wenig geändert. Hier wird jedes Jahr wieder die neue Ernte an Filmen von den britischen Inseln gezeigt – die hübschesten Früchte schnappen sich zwar die großen Tiere in Berlin, Cannes oder Venedig, aber den neuen Winterbottom oder Loach kann man dann ja eh bald in den deutschen Kinos sehen. In Emden werden dagegen viele Filme gezeigt, die es nicht auf den internationalen Markt schaffen. Und dass dies oft nicht an ihrer Qualität, sondern an ganz anderen Faktoren liegt, kann man jedes Jahr wieder auf diesem Festival feststellen. So darf man zum Beispiel auf Kenneth Branaghs Adaption von Mozarts „Zauberflöte“ gespannt sein, oder auf „Color me Kubrick“ von Brian W. Cook, in dem John Malkovichin einen Hochstapler verkörpert, der sich tatsächlich in den 90er Jahren als das Regiegenie Stanley Kubrick ausgab. Schön ausgepolstert wird die britische Reihe durch eine Hommage, bei der fünf Spielfilme mit Judi Dench gezeigt werden.

Mit einer Werkschau wird auch Sönke Wortmann geehrt. Na ja: einige Emder wollen vielleicht unbedingt noch mal „Das Wunder von Bern“ sehen. Dabei riskieren sie es aber, einige wirklich gelungene neue deutsche Filme zu versäumen. Zum Beispiel „Seemannsbräute“ (siehe taz nord von gestern) oder „Reine Geschmacksache“ von Ingo Rasper, in dem die ordentliche kleine Welt eines Handelsvertreters für Damenoberbekleidung langsam vom Chaos verschlungen wird. In Emden kann man auch lernen, dass nicht nur die Briten solche durchgeknallt-bösen Komödien machen.

Genaue Informationen finden Sie unter www.filmfest-emden.de Wilfried Hippen