: Wulff will keine Wappen-Polizei
Niedersachsens Schützenverband hat Ärger mit dem Wappengesetz: Auf dem Logo prangt das Landesross. Nach einem Hinweis muss die Staatskanzlei handeln – und arbeitet an einer Lösung
VON KAI SCHÖNEBERG
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“, verkündete Walter Ulbricht am 15. Juni 1961, um keine zwei Monate später den antifaschistischen Schutzwall hochzuziehen. „In keinem Fall wollen wir eine Wappen-Polizei aufstellen“, sagte gestern Andreas Krischat, Sprecher der niedersächsischen Staatskanzlei. Und wir sind diesmal geneigt, seinen Ausspruch nicht in die Liste der berühmtesten Dementis der Welt aufzunehmen. Also: Es dürfte stimmen, als Krischat gestern betonte, dass der Streit zwischen Land und dem Niedersächsischen Sportschützenverband (NSSV) „in Kürze zu einer unbürokratischen, guten Lösung führen wird“. Fakt ist aber offensichtlich, dass der NSSV gegen das Niedersächsische Wappengesetz (NwappG) verstößt.
Das ist keine Petitesse: Die Sportschützen führen seit 1962 das Niedersachsen-Ross in ihrem Wappen (siehe Abbildung). Auf etwa 190.000 Ärmeln niedersächsischer Schützen, auf Fahnen und Briefpapier dürfte der Schimmel prangen. Bereits in der kommenden Woche, wenn die Grünröcke beim größten Schützenfest der Welt in Hannover ein paar Lütje Lagen trinken wollen, dürfte der Konflikt mit dem NwappG nicht mehr zu übersehen sein. Das Wappen zu ändern, „kostet Geld, das wir nicht haben“, bangt zudem NSSV-Geschäftsführer Thorsten Jaschke in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.
Zunächst aber prüft die Staatskanzlei. Das muss sie. Da Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) das einst von Gerhard Schröder (SPD) eingeführte niedersächsische Pferd, ein stilisierter so genannter „Haken“, in aller Selbstherrlichkeit abschaffte, gibt es seit März dieses Jahres auch das neue NwappG. Danach dürfen „nur die Dienststellen des Landes“ den Gaul „führen oder in sonstiger Weise verwenden“. Anderen sei „die Verwendung des Landeswappens und des Wappentieres untersagt“. Vor allem, wenn der uralte Niedersachsen-Gaul, der leider nicht ganz so dynamisch daher kommt wie das Ferrari-Pferd, zu kommerziellen Zwecken genutzt wird, schreitet die Staatskanzlei als Aufsichtsbehörde ein.
Und musste also proaktiv handeln, als sie einen Hinweis erhielt, dass der NSSV das NwappG verletzt, versichert Krischat. Keine Wappen-Polizei – und die Hoffnung auf ein gutes Ende. Zu einer Unterlassungsklage wird es wohl nicht kommen. Man arbeite an einer guten Lösung mit den Schützen, sagt Krischat.
Immerhin ist das springende Niedersachsen-Ross ja schon Bestandteil vieler Firmenlogos aus der Landeshauptstadt: Es ziert die Flaschen von Herrenhäuser Pilsener, die Reifen von Continental oder Versicherungspolicen von VGH. Allerdings bereits viel länger, als es das Land Niedersachsen und das NwappG überhaupt gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen