: „Zwei Milliarden leben ohne“
HYGIENE Zum Welttoilettentag benutzen auf der Reeperbahn fünf Mann PR-wirksam Trockenklos
■ 30, Wirtschaftsgeograph, hat im Juni 2014 das Kieler Sozialunternehmen „Goldeimer Komposttoiletten“ mit gegründet.
taz: Herr Bier, sitzen Sie heute auch öffentlich auf dem Klo?
Markus Bier: Nein. Ich bin zwar Mitgründer der Firma Goldeimer, die sich an der Aktion „Alle aufm Klo – Klos für alle“ von Viva con Agua zum heutigen Welttoilettentag beteiligt, aber ich bin derzeit gar nicht in Hamburg. Dafür sitzen fünf andere Herren auf den Toiletten mitten auf der Reeperbahn.
Öffentlich und mit blankem Hintern?
Nein, die Toilettenhäuschen, auf denen drei von uns sogar 36 Stunden lang durchgehend sitzen, sind nicht durchsichtig. Sie stehen eher symbolisch da und sollen die Kontaktaufnahme erleichtern. Nur eine funktioniert richtig, aber auch die ist nicht einsehbar. Passanten können sie übrigens gern benutzen.
Wie funktionieren Ihre Klos?
In unseren Trockentoiletten ersetzen ein oder zwei Handvoll Sägespäne die Chemie und das Spülen. Außerdem verwenden wir eine spezielle Mischung aus Mikroorganismen, die man auch für die Verwertung von Küchenabfällen nutzen kann. Diese Kombination ist geruchsbindend und sehr hygienisch.
Was passiert danach mit den Fäkalien?
Sie kommen in Sammelbehälter und beginnen zu gären. Dann folgt die Kompostierung und die Umwandlung in nährstoffreiches Bodensubstrat, in Humus. Im Moment setzen wir dabei noch auf einen Kooperationspartner, der unsere Biomasse kompostiert. Mittelfristig wollen wir das alles selbst machen.
Warum präsentieren Sie das alles am Welttoilettentag?
Weil er die Chance bietet, zu informieren: Über zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberen sanitären Einrichtungen. Das wollen wir bewusst machen. Und wir wollen fragen, ob die Spültoilette auch für extrem trockene Weltengegenden geeignet ist.
Dann wäre das Goldeimer-Konzept doch ideal für Entwicklungsländer.
Die Eins-zu-eins-Übertragung von Konzepten finden wir nicht unbedingt sinnvoll. Darum haben wir uns für einen anderen Weg entschieden. Wir sind von Anfang an als Sozialunternehmen aufgestellt, das heißt: Mit einem großen Teil unserer Gewinne werden künftig Sanitärprojekte in Entwicklungsländern unterstützt – in enger Abstimmung mit unserem Kooperationspartner Viva Con Agua.INTERVIEW: BIG/PS
„Open Defecation Station“: 11 bis circa 22 Uhr, Reeperbahn (Heiße Ecke, Davidwache). Mehr Informationen unter