Vergangenheitsergebenheit und juveniles Pathos mit The Third Sound und Mikroboy

Alle Wege führen nach Berlin. Sogar die, die zuerst nach Rom führten. Jedenfalls, wenn man aus Island losläuft, Gitarrist ist und Hákon Adalsteinsson heißt. Der ließ die Heimat und einen Job bei der dort einigermaßen bekannten Rockband Singapore Sling zurück, um sich in der ewigen Stadt auf ein Dach zu setzen. Dort spielte er Gitarre. Oder sah in den Himmel. Spielte noch ein bisschen mehr Gitarre. Hörte den Vögeln zu. Spielte Gitarre. Schrieb ein paar Songs. Die nahm er dann auf mit einem italienischen Freund. Und zog weiter nach Berlin.

The Third Sound hat Adalsteinsson sein Projekt getauft, das gleichnamige Album ist nun erschienen. Allzuweit hat er sich nicht von seinen Wurzeln entfernt. Seine alte Band Singapore Sling hatte sich nicht nur nach einem obskuren B-Picture benannt, in dem die Titelfigur der Nekrophilie frönt, sondern spielte auch bitterbösen Psychedelic-Rock aus den sechziger Jahren. Und auch bei The Third Sound klappert das Tambourin und Adalsteinsson steht ohne Unterlass auf dem Fuzz-Pedal. Die Einflüsse heißen Velvet Underground, Jesus and Mary Chain und My Bloody Valentine. Das vorherrschende Stilmittel ist die Rückkopplung und die Stimmung ist schön suizidal. Um diese Stimmung nicht zu verderben, hat Adalsteinsson darauf verzichtet, allzu aufregende Melodien zu schreiben. Ein Song wummert ebenso ereignislos daher wie der nächste.

Es ist schon erstaunlich, wie detailverliebt man eine Epoche nachstellen kann. Man kann das respektvoll nennen. Oder auch: sklavisch. Man muss sich vielleicht auch sorgen, welcher gewaltige Drogenkonsum dazu nötig war. Adalsteinsson jedenfalls hat nun eine Band rekrutiert, die diese Zeitreise auf die Bühne bringen soll. Die Mitglieder kommen aus Frankreich, Australien, Schweden, Venezuela und den USA. Auch sie haben den Weg nach Berlin gefunden. Sogar ohne den Umweg Rom.

Auf den hat auch Michael Ludes verzichtet. Er ist aus seiner saarländischen Heimat lieber nach Mannheim gegangen, um an der dortigen Popakademie zu studieren und mit einigen Kommilitonen Mikroboy zu gründen. Ludes lebt nun in Berlin, schreckt aber auch auf seinem zweiten Album „Eine Frage der Zeit“ nicht vor einem eher jugendlichen Pathos zurück. Er singt über „die große Liebe“, sorgt sich, die könnte ihn „innerlich verbrennen“, er sieht sich „bis zum Hals im Beton“, und er wähnt sich „nah dran am Wahnsinn und schlechten Gewissen“.

Popmusik werden diese mitunter allzu plakativen Zeilen aber dann doch. Zuerst einmal, weil eine quiekende Elektronik immer mal wieder mitten hinein fährt in die eher eintönig jubilierenden Gitarren. Und vor allem indem Ludes seine kryptische Lyrik nicht schmettert wie ein Schlagersänger, sondern gerade eben mit so viel Schnoddrigkeit singt, dass man ihre Gefühligkeit erträglich finden kann. Dann, in diesen besten Momenten, erinnern Mikroboy tatsächlich an Kettcar, aber um dauerhaft auf diesem Standard zu agieren, müssen Michael Ludes und seine Band noch ein Stück Weg zurücklegen. THOMAS WINKLER

■ The Third Sound: „The Third Sound“ (A Records/ Cargo)

■ Mikroboy: „Eine Frage der Zeit“ (Embassy of Music/ Warner)