: Der BVB oder Die Schönheit der Katastrophe
FUSSBALL Dieser Absturz kam unerwartet – aber Fan sein heißt leiden
■ 55, ist Parlamentskorrespondent der taz und wundert sich schon lange, dass eine offiziell christliche Gesellschaft die Geburt Jesu als Konsumschlacht inszeniert. Das fühlt sich selbstverständlich an, ist es aber nicht. Er geht schon aus Trotz Weihnachten in die Kirche und schenkt protestantisch.
Das Schlimmste sind nicht die Niederlagen. Oder dass Mats Hummels & Co Pässe spielen, für die man sich in der C-Jugend schämt. Das Demütigende ist nicht, dass Borussia Dortmund nicht mehr gegen Juventus Turin spielen wird, sondern, wenn es so weitergeht, gegen Heidenheim und Sandhausen. Sondern das Mitleid. Dass auch Schalker etwas Verständnisvolles in der Stimme haben. Wird schon wieder. Noch nicht mal mehr Häme.
Diesen Absturz hatte niemand auf dem Zettel. Ein Hagelsturm aus blauem Himmel. Ja, die Abgänge an Bayern, die Schnitte ins Herz waren. Ja, die WM. Ja, die Verletzungen. Ja, dies & das. Aber im Grunde ist es dunkel. Die Mannschaft erinnert an jemanden, der jeden Tag aufs Fahrrad steigt und eines Morgens umfällt. Und dann immer wieder. Weil er vergessen hat, wie man die Balance hält.
Was sagt die Bibel? „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Korinther 13) Der Glaube, dass der Körper sich erinnert und Wahrnehmung und Bewegung, Auge und Muskeln wieder wundersam synchronisiert sein werden. Die Hoffnung, dass dies bald passiert, spätestens jetzt sofort. Und die Liebe, die „erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles“ (1. Korinther 13). Auch die 2. Liga.
Fan sein heißt leiden. Das ist nicht neu, aber wir hatten es vergessen. Sieg, Triumph, Champions League sind nur trügerische Pausen im Unglück. Jedenfalls wenn man keinem Verein anhängt, dessen Präsident das Gemeinwesen um Millionen betrügt.
Was, wenn es noch weiter bergab geht, wenn Hoffnung nur böse Verführung ist, Glaube auch in der Rückrunde Irrtum? In solche Fällen hilft Neil Young. „It’s better to burn out than to fade away.“ Ein Sturz nach ganz unten, ohne Zwischenstation im Reich der Halbtoten im unteren Mittelfeld, hat den dunklen Glanz des Tragischen. Das ist kein Unfall, das ist Katastrophe. Es hat etwas von der Erhabenheit vollendeten Scheiterns. Wo liegt eigentlich Sandhausen? STEFAN REINECKE