DIE STIMMEN DER ANDEREN :
■ Der Standard (Österreich)
Übergangsrat weiter kontrollieren
Die humanitären Überlegungen müssen an erster Stelle stehen – was jedoch nicht heißt, dass das in vielen Ländern eingefrorene und jetzt wieder aufgetaute libysche Geld einfach so, ohne Kontrolle, ins Land geschüttet werden soll. Ja, es gehört den Libyern und den Libyerinnen. Und ja, die meisten Staaten haben den Nationalen Übergangsrat als rechtmäßige Vertretung anerkannt. Aber gerade weil diese Legitimation von außen und nicht von innen verliehen wurde, kann sich die internationale Gemeinschaft nicht so ohne weiteres abmelden. Bei allem Respekt für die libysche Souveränität: Die internationale Gemeinschaft hat gewissermaßen eine moralische Verantwortung für diesen Übergangsrat. Alles, was er tut, wird auf sie zurückfallen.
■ Corriere del Ticino (Schweiz)
Islamismus bedroht Libyen
Der erste Faktor ist die politische Schwäche des Übergangsrats, der gespalten ist. Die Voraussetzungen für ein Szenario wie im Irak nach dem Sturz von Saddam sind zwar nicht gegeben. Doch an die Stelle des Kampfs zwischen Sunniten und Schiiten könnte ein erbitterter Kampf der verschiedenen Fraktionen um das Erbe Gaddafis ausbrechen: Der Osten des Landes gegen Tripolis, das Militär gegen die Zivilbevölkerung, weltliche Kräfte gegen islamische Fundamentalisten. Und hier lauert die zweite Gefahr. Der islamische Fundamentalismus hat sich in den arabischen Revolten von Tunesien und Ägypten als unterlegene Macht entpuppt. Doch in Libyen könnte er die Oberhand gewinnen aufgrund der Existenz der verschiedenen Lager, die im Chaos zu missionarischem Eifer neigen könnten.
■ Le Monde (Frankreich)
Nicht Europa besiegte Gaddafi
Aus dem Libyenkonflikt lassen sich zwei einfache Lektionen ableiten: Erstens: Die in Libyen ausgeführte Operation ist nicht übertragbar. Sie war von ganz bestimmten Umständen anhängig. Zweitens: Diese Intervention ist kein europäischer Erfolg. Der Élysée-Palast und die Downing Street haben die politische Initiative ergriffen, nicht die EU. Es wird in die Geschichte eingehen, dass Muammar al-Gaddafis Regime unter dem Ansturm der Rebellen gefallen ist. Es ist ein Sieg, den diese wahrscheinlich nicht erzielt hätten ohne die Unterstützung einer bunt zusammengewürfelten Koalition unter Leitung der USA, Frankreichs, Großbritanniens und Katars, die finanzielle, politische und militärische Hilfe leistete. Das ist aber alles andere als ein Erfolg für Europa.
■ El País (Spanien)
Gaddafi kämpft weiter
Keine vorschnelle Erfolgsmeldung vom Sieg der Rebellen und der Alliierten – der EU, den USA und der Nato. Die internationale Staatengemeinschaft distanziert sich so vom schlechten Beispiel George W. Bushs, der die Mission im Irak voreilig als erfüllt bezeichnete. Ein Fehler, der zur chaotischen Nachkriegssituation in diesem Land beitrug. Der Diktator Gaddafi kämpft noch immer aus einem unbekannten Versteck heraus, und wir können nicht ausschließen, dass er weiter für Probleme sorgen wird.
■ The Guardian (Großbritannien)
Ende der Urlaubsidylle
Diese ersten Tage der Nach-Gaddafi-Ära und die Gestaltung des Friedens sind genauso heimtückisch, wie es war, Krieg zu führen. Doch wenn es der Übergangsrat schafft, die Stammesinteressen auszugleichen, kann ein nationaler Konsens geschmiedet werden, der auf etwas basiert, was dauerhafter ist als nur das Fehlen des letzten Tyrannen.
■ Lidove Noviny (Tschechien)
Westerwelle wird Buhmann der Nation
Auf den Sieg der Verbündeten reagierte Außenminister Westerwelle mit der peinlichen Aussage, dass für den Fall Gaddafis vor allem das Waffenembargo verantwortlich ist, das Berlin mitinitiiert hat. Praktisch von einem Tag auf den anderen wurde Westerwelle zum Buhmann der Nation. Die Deutschen hat ihr Gewissen eingeholt. Die Alibipolitik ihrer Regierung quält sie.