: Das Chamäleon
Christian Wulff auf Sommertour: Wohltemperiert hakt er seine Termine ab. Da es kaum Gegner gibt, wünscht sich der Regierungschef die Linke über der Fünf-Prozent-Marke – aber nur in den Umfragen
VON KAI SCHÖNEBERG
Es ist die Gabe, zwischen Landesvater, Landesmanager und Landeskumpel ohne Reibungsverluste umzuschalten, die Christian Wulff dieser Tage nützt. „Frau Merkel“, dampfplaudert der Ministerpräsident bei einem Besuch in der Papenburger Gartenbauzentrale, „ist ja ein unheimlicher Fan von Pfefferminzblättern“. Beim trauten Diner habe ihn die Kanzlerin neulich nach der Minze auf seinem Teller gefragt: „Kann ich deine haben?“ Und dann rät er Gartenbau-Chef Karl Voges, mal ein paar Minzpflänzchen gen Berlin zu schicken. Voges und seine Gartenbauer schauen baff: Minz-Lieferungen ins Zentrum der Macht, Merkel und Wulff duzend statt streitend. Er hat Eindruck geschunden, der Wohlfühl-Wulff.
Die Sommerreise, die der Ministerpräsident derzeit als Chef des CDU-Landesverbands mit zwei angie-orangen VW-Bullys absolviert, gleicht einem Spaziergang. In der Lager-Halle des ostfriesischen Tee-Riesen Bünting schäkert Kuschel-Wulff mit einer Arbeiterin, fragt sie, was sie sich von der Politik wünsche. „Nichts“, lautet die Antwort. Botschaft für die Kameras: Alles prima im „Zukunftsland Niedersachsen“, in dem Wulff seit 2003 mit der FDP regiert. Selbst als es bei der Visite im Freibad in Leer aus Kübeln gießt, heimst der „MP“ Punkte ein. Als er erfährt, dass die Bademeister im Winter arbeitslos sind, sagt Wulff: „Dann müssen Sie hier eben ein Hallenbad bauen.“
Nach dem Fotoshooting mit Badenixen gibt’s Schlangen beim Autogramm-Wulff, Applaus, als der Landesvater-Wulff fünf Jahre Mitglied im Bad-Verein wird. Scheinbar mühelos hakt er Termin um Termin ab, lässt sich in Wilhelmshaven auf dem Museumsschiff „Kapitän Meyer“ von CDU-Honoratioren, Wirtschaftsleuten und den „Schlicktown-Singers“ feiern, um alsbald als Manager-Wulff zu verkünden, dass ganz sicher noch in diesem Jahr Baubeginn für den Tiefwasserhafen ist.
Kiba-Trinker Wulff bleibt sogar cool, als er am frühen Morgen am Jade-Deich einen Schnaps kippen muss.
Wieder merkt niemand, dass es auch den Aktenfresser-Wulff, den Intrigen-Wulff, den Abkanzel-Wulff gibt. Alle parteiinternen Rivalen hat der 48-Jährige weggebissen oder ausgesessen, wie einst sein Entdecker Helmut Kohl. Einer der letzten Wulff-Gegner, Landtagspräsident Jürgen Gansäuer, geht zur Wahl in fünf Monaten in Rente. Ein weiterer, Kultusminister Bernd Busemann, hetzt beim Termin bei den Papenburger Minzlieferanten atemlos hinter dem Wulff-Trupp her. Busemann kann keine Merkel-Anekdoten erzählen. Viele in Hannover fragen, ob er sein Amt noch lange ausüben wird.
Roland Koch aus Hessen, Wulffs Erzrivale in der CDU, muss auf seiner Sommertour vor Publikum Nudeln kochen und über seine Frau reden. Er will sein Haudrauf-Image abstreifen. Wulff hat das Image, Schwiegermamas Liebling zu sein. Wenn es nach dem Willen der Parteispitzen ginge, wäre der Hesse Koch der geborene Merkel-Nachfolger, 2013, vielleicht sogar schon 2009. Wenn es nach den Demoskopen ginge, wäre das Wulff. Seine Werte haben zwar unter der Merkel-Hausse gelitten, sind aber immer noch gut. Wulff, der am gleichen Tag wie Koch Wahlen zu bewältigen hat, muss nicht kochen. Und: Es ist klar, dass der 27. Januar 2008 ein Fernduell mit Koch ist.
Es ist Wulffs ungefähr zehnte Sommerreise, seitdem er 1993 als Oppositionsführer in die Bütt ging. Anfangs bekam der milchbubige Rechtsanwalt aus Osnabrück keine Schnitte gegen den forschen Rechtsanwalt aus Hannover, Gerhard Schröder. 2007 meint Wulff, den Draht zum Wähler gefunden zu haben: „Ich spüre, dass da Null Mauer ist, Null Distanz.“
Auch wenn Umfragen die Wulff-CDU derzeit bei über 40 Prozent sehen, muss er zwei unsichtbare Feinde fürchten. Weniger den bislang ideenlosen SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang Jüttner, sondern die Nichtwähler – und Die Linke. Obwohl die linken Sprengsel in Niedersachsen bislang weder personell noch programmatisch groß in Erscheinung getreten sind, taxieren sie die Demoskopen schon auf vier Prozent.
„Es wird Umfragen geben, wo die Linkspartei bei Fünf liegt – was mich freuen würde“, sagt Wulff. Mit fünf Parteien könnte es zwar im Landesparlament nur zu einer Großen oder gar einer rot-rot-grünen Koalition reichen. Aber: Ein drohender Triumpf der Linken wäre gut gegen die Siegesgewissheit im eigenen Lager. Letztlich auch gut, um die SPD doch noch in die Enge zu treiben. Schon „reizvoll“, meint Wulff, dass Jüttner bei der Frage, ob er mit der Linken koalieren würde, „bislang nur rumgeeiert hat“.