Gequälte Obdachlose
: Schnelle Urteile als hilflose Geste

Der neuerliche Angriff auf einen wehrlosen Obdachlosen ist erschütternd – gerade weil sich die Nachrichten so gleichen. Der Tathergang liest sich wie eine exakte Doublette dessen, was vor acht Monaten passierte, ebenfalls in Hannovers Innenstadt. Fast als hätten die Täter der vergangenen Woche nachgestellt, was sie in der Zeitung gelesen haben. Dass sie zumindest auch ihre eigenen Untaten der Vergangenheit kopierten, offenbarte erst der Blick in ihren Handyspeicher.

KOMMENTAR VON JAN KAHLCKE

Obdachlose zu misshandeln scheint bei einem Teil von Hannovers Jugendlichen eine Art Sport geworden zu sein. Schon deswegen ist gegen das von der Staatsanwaltschaft angepeilte schnelle Verfahren nichts zu sagen – gerade im Fall von Wiederholungstätern könnte es zum Schutz der Opfer beitragen. Und dass zeitnahe Gerichtsverhandlungen das dauerhafte Abrutschen Jugendlicher in kriminelle Strukturen verhindern helfen können, ist unter Fachleuten schon fast ein Gemeinplatz.

Dennoch offenbart die Ankündigung der Staatsanwaltschaft auch eine verbreitete gesellschaftliche Hilflosigkeit: Schnellverfahren greifen erst nach der Tat. Offensichtlich hat niemand eine Idee, wie man der Verrohung junger Männer so präventiv begegnen kann, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen, vermeintlich Schwächere zu verletzen und zu quälen.