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Archiv-Artikel

Bombenanschläge in Pakistan

Militär gerät zunehmend in die Schusslinie von Islamisten. Die Position von Staatschef Musharraf wird schwächer. Gericht lässt Klage gegen seine Doppelrolle als Militär und Präsident zu. Sein politischer Rivale Nawaz Scharif darf wieder einreisen

VON SASCHA ZASTIRAL

Nach den beiden Bombenanschlägen in der Garnisonsstadt Rawalpindi ist die pakistanische Hauptstadt Islamabad unter erhöhte Alarmbereitschaft gestellt worden. Mutmaßliche Selbstmordattentäter hatten sich am Dienstagmorgen auf einem belebten Markt und, wenige Minuten danach, neben einem Bus mit Mitarbeiten der staatlichen Atombehörde in die Luft gesprengt. Dabei kamen nach offiziellen Angaben 24 Menschen ums Leben, mehr als 60 wurden verletzt. Aufnahmen zeigten das Wrack des Busses, der durch die Detonation fast komplett zerstört wurde. Der pakistanische Kabinettsminister Scheich Raschid Ahmed versicherte: „Das ist Teil eines groß angelegten Plans, das Land zu destabilisieren. Staatsfeindliche Elemente sind daran beteiligt.“

Die Anschläge erfolgten in einem gesicherten Bereich in unmittelbarer Nähe des Hauptquartiers der pakistanischen Armee. Es sind nur zwei von vielen Selbstmordanschlägen, die dem Sturm auf die Rote Moschee in Islamabad im Juli folgten. Damals hatten sich bewaffnete islamische Extremisten in dem Gebäude verschanzt. Nach Scharmützeln, die über eine Woche dauerten, befahl Militärmachthaber Pervez Musharraf der Armee, gewaltsam in die Moschee einzudringen. Dabei kamen über hundert Menschen ums Leben.

Der gemäßigt religiöse Großteil der pakistanischen Bevölkerung hatte die Armeeaktion begrüßt. Die Islamisten hat sich Musharraf damit aber zu Todfeinden gemacht: Mindestens 60 Soldaten kamen seither bei Selbstmordanschlägen ums Leben. Die meisten Anschläge ereigneten sich im Nordwesten des Landes, wo über 90.000 Soldaten Jagd auf Taliban machen. Doch jetzt ist der Terror bis vor die Haustür des pakistanischen Militärmachthabers gekommen: Rawalpindi liegt direkt neben der Hauptstadt Islamabad.

Das Problem mit den militanten islamistischen Gruppen ist in Pakistan hausgemacht. Die meisten von ihnen, etwa die Dschaisch-e-Mohammad (Armee Mohammeds), genossen lange Zeit die Unterstützung des Staates und seines Geheimdienstes. Viele von ihnen wurden von radikalen Klerikern gegründet, um im indischen Teil Kaschmirs Anschläge zu verüben. Immer wieder hatte Indien seinen ungeliebten Nachbarn dafür kritisiert, „Terrorgruppen“ zu beherbergen. Musharraf selbst hatte die Gruppen noch 2001 in Schutz genommen: Es handele sich bei ihnen um Freiheitskämpfer. Doch dann kam der 11. September 2001, und der Militärmachthaber geriet wegen der Militanten in seinem Land international immer mehr unter Druck. Als im Dezember 2001 mutmaßliche Anhänger der Dschaisch-e-Mohammad bei dem Versuch ums Leben kamen, das indische Parlament zu stürmen, führte das fast zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan. Musharraf knickte ein: Er verbot die meisten Gruppen und ließ ihre Anführer verhaften. Damit zollte er vor allem den USA Tribut, mit denen er dann eine Allianz im Kampf gegen die Taliban eingehen sollte.

Die Anschläge vor seiner Haustür treffen Musharraf in einer Zeit, in der er immer stärker in Bedrängnis gerät. Erst am vergangenen Mittwoch hatte das Oberste Gericht des Landes eine Klage gegen seine Doppelrolle als Präsident und Militärchef zugelassen. Dasselbe Gericht hatte zuvor angeordnet, dass Ex-Premier Nawaz Scharif wieder in das Land einreisen darf. Ihn hatte Musharraf bei einem Staatsstreich 1999 gestürzt. Im Mai hatten sich Demonstrationen gegen die Absetzung des Obersten Richters des Landes durch Musharraf zu Massenkundgebungen für ein Ende der Militärherrschaft entwickelt.