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Archiv-Artikel

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Ein Gesangsabend in einer der Likörstuben des frühen 19. Jahrhunderts. Die Stimmung andächtig, aber von melancholischer Routine. In den eingedrückten Gesichtern der Anwesenden spiegelt sich keinerlei weitere Erwartung an das Leben, außer vielleicht der, dass der morgige Tag dem heutigen nicht in allen Punkten gleiche. Derweil wird das Seelenleid von Goethes „Herzig Veilchen“ vorgetragen. „Zum Erschießen schön!“, wie es Cousine Marie (Sandra Hüller) sehnsüchtig aus dem Mund tropft. Später wird in ähnlichem Ton gemeinschaftlich über das Schicksal der Kleist’schen „Marquise von O“ sinniert. Man verhandelt die verblüffende Gleichzeitigkeit sich widersprechender Gefühle. „Man sagt doch das eine und fühlt auch das andere“, grübelt da Henriette Vogel (Birte Schnöink) und liefert eine erste Prophetie, ihren eigenen Lebensweg abtastend. Jenes eigene, kleine Puppenstubenleben der gebildeten Vogel – Seelenfreundin Kleists, die mit dem Dichter am 21. November 1811 den Freitod wählte. Die Frage, wer wen wie dazu drängte, ist bis heute nicht zu beantworten. Jessica Hausner nimmt sich in ihrem Film „Amour Fou“ eine erfrischend eigene Deutung heraus. In 3 Kinos