: Festival in den Flegeljahren
Bis Sonntag findet das 14. Internationale Filmfest Oldenburg statt
Auf dem Cover des Programmhefts sieht man die Nahaufnahmen einer Frauenhand, die eine halb gerauchte Zigarette hält – wenn das mal keinen Ärger gibt. In Zeiten der rauchfreien Republik ist das schon eine Provokation – und dann erst der Trailer, der seit einigen Wochen in den Programmkinos der Region läuft. Da wird in einer nahen Zukunft à la „Bladerunner“ das Oldenburger Filmfest als das konspirative Treffen von ein paar rebellischen Geistern gezeigt, denn nach dem Rauchen wurden bald auch das Trinken, das Grillen, die Bücher und die Filme als gesundheitsschädlich angesehen und verboten. Die Filmfestspiele in Cannes, Venedig und Berlin sind längst „aus dem Verkehr gezogen“, aber das kleine Oldenburg, das haben sie vergessen. Nein, politisch korrekt oder gar erwachsen will das inzwischen in die Pubertät gekommene Filmfest nicht werden. Als „jenseits des Mainstreams“ beschreiben die Veranstalter selbst im Editorial des Programmhefts ihre Auswahl, und dazu passt, dass mit Abel Ferrara einer der bad boys der amerikanischen Filmszene mit einer Retrospektive geehrt wird. In der internationalen Reihe erlebt zudem „Postal“ seine Europapremiere, eine subversive Satire auf den 11. September, in der Regisseur Uwe Boll Osama Bin Laden und George W. Bush zu einem netten Foto auf dem Rasen vor dem Weißen Haus zusammenkommen lässt. Das Image des aufmüpfigen Festivals ist dem Gründer und Organisator Torsten Neumann immer noch lieb und wert. Tatsächlich hat sich Oldenburg damit auch international einen Namen gemacht und unter jungen Filmemachern in den USA gilt eine Einladung inzwischen als eine Auszeichnung.
Dabei hat das Festival inzwischen seine Kinderkrankheiten längst hinter sich. Es gab chaotische Jahre, in denen die Partys scheinbar wichtiger als die Filme waren und der Spruch die Runde machte, der „Trailer sei besser als das Festival“. Doch die Organisation ist deutlich professioneller geworden, und seit einiger Zeit ist sogar das Oldenburgische Staatstheater in das Filmfest eingebunden. Dort fand gestern die feierliche Eröffnung statt und am Samstagabend wird im Rahmen eines Gala-Abends Volker Schlöndorff seinen neuen, in Kasachstan gedrehten Film „Ulzhan“ präsentieren. Als Vorsitzenden der Jury für den German Independence Award konnte das Festival den amerikanischen Schauspieler Stacy Keach gewinnen, den viele aus der Fernsehserie Mike Hammer kennen, der aber auch in Filmklassikern mitspielte, von denen das Festival in einem Tribute vier vorführt, darunter auch das selten gezeigte Boxerdrama „Fat City“ von John Huston.
Seit ein paar Jahren trägt das Festival auch der Renaissance des Dokumentarfilms Rechnung, dem eine eigene Programmschiene gewidmet wurde. Dort wird mit „Spielverderber“ von Henning Drechsler und Georg Nonnenmacher eine Ehrenrettung des meistgehassten Mannes auf Fußballfeldern, des Schiedsrichters, zu sehen sein und in dem kanadisch-australischen Film „Sharkwater“ wird in sensationellen Unterwasseraufnahmen gegen die Verteufelung der Haifische argumentiert.
Auf der Abschlussgala läuft schließlich mit „The Astronaut Farmer“ eine absurde Komödie über einen Bauern, der in seiner Scheune eine Rakete baut, mit der er ins Weltall fliegen will. Die New York Times lobte den Film als „eine entwaffnend aufrichtige Folge-deinen-Träumen-Fabel mit einem fesselnden Unterton von ernst zu nehmender Verrücktheit“. Das klingt wieder nach einem von jenen Filmen, die man nur in Oldenburg zu sehen bekommt. Wilfried Hippen