: Die Angst des Fußballers vorm Schwulsein
In „Eleven Men Out“ von Robert I. Douglas geht es um Homosexualität im Sport
Bis jetzt hat sich noch kein deutscher Profifußballer öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. Statistisch müsste es im Kader jedes Vereins mindestens einen schwulen Spieler geben, aber das Tabu bleibt weiterhin ungeknackt. Immerhin wird fiktiv schon einmal angetestet, wie skandalös solch ein Coming-out sein könnte. In dem Spielfilm „Männer wie wir“ wurde das Thema mit den Mitteln einer deutschen Komödie durchgespielt und der isländische Regisseur Robert I. Douglas geht es in „Eleven Men Out“ etwas komplexer und origineller an. Im Programmheft des Bremer Kino 46, das den Film in einer Veranstaltungsreihe zum europäischen Jahr der Chancengleichheit zeigt, wird er zwar als „schrille Komödie über die Homophobie“ angekündigt, aber dadurch werden falsche Erwartungen geweckt. Denn der Humor des Filmemachers Robert I. Douglas ist eher lakonisch bis missmutig. Hier feiert sich auch nicht die schwule Subkultur mit exaltierten Tunten und einer fidelen Mannschaft in Fummel und Stöckelschuhen. Wenn sich ein Spieler der Mannschaft, die bald nur noch aus Schwulen besteht, für den Umzug am Gay Pride Day als Frau verkleidet, wird er von den Teamkollegen zurechtgewiesen, man habe doch beschlossen, in Spielerkleidung mitzulaufen.
Und wenn der Star eines isländischen Fußballprofivereins verkündet, er sei schwul, ist dies auch kein edler Schritt in Richtung Chancengleichheit, sondern der arrogante Ottar Thor ist schlicht sauer darüber, dass ein Interview mit ihm in einer Illustrierten auf der letzten Seite stehen soll. Auf das Titelblatt kommt er nur mit einer sensationellen Schlagzeile, aber welche Konsequenzen diese für ihn, seinen Verein und seine Familie haben wird, hat er sich offensichtlich nicht überlegt. Und so ist er wie vom Schlag gerührt, als er von seinem Verein entlassen wird. Das Mitgefühl des Zuschauers hält sich in Grenzen, denn dieser Tabubrecher ist alles andere als ein sympathischer Held. Björn Hlynur Haraldson spielt ihn als einen geborenen Gewinner, der es nie nötig hatte, so etwas wie Charakter zu entwickeln. Auch sonst gibt es in diesem Film kaum jemanden, um den man bangen, oder mit dem man sich freuen würde – der Regisseur hält deutliche Distanz zu seinen Protagonisten, und so bleibt der Film immer ein wenig unterkühlt – und das liegt nicht nur daran, dass er in einem sehr regnerischen Island spielt.
In einer unteren Liga findet Ottar einen Verein, in dem schon zwei andere homosexuelle Kicker spielen – nach und nach verlassen die Heterosexuellen die Mannschaft und so entsteht ein schwules Team, das auf der Tabelle erstaunlich schnell nach oben steigt. Nicht etwa, weil es gut spielt, sondern weil die anderen Mannschaften sich weigern gegen sie anzutreten und so bei jedem angesetzten Spiel die Punkte an sie gehen. Mit diesen Trick kommt Robert I. Douglas, der am Fußball selbst kaum interessiert zu sein scheint, mit einem Minimum an Spielszenen aus. Er beschreibt den Sport eher als ein soziales Phänomen, und so gehören zu seinen besten Szenen die Vorstandssitzungen des Profivereins, in denen die Funktionäre einerseits so verächtlich über Schwule herziehen, wie sie es in der Öffentlichkeit nie tun würden, sie andererseits aber auch erkennen, dass der Rausschmiss ihres besten Spielers ihnen selbst am meisten schadet. So hält Douglas auch dramaturgisch den Ball flach und feiert zum Schluss weder den sportlichen Triumph der Außenseiter noch das plötzliches Erblühen der Toleranz. Es siegen die Pragmatiker: Schwul oder nicht – Hauptsache er schießt Tore.
Wilfried Hippen