Jenseits der Hauptsendezeit

Das internationale Fernseh-Forum „The Look of the Sound“ lockt Musikfilmregisseure und ARD-Chefs nach Findorff

Enrique Sánchez Lansch ist als Regisseur von „Rhythm is it“ bekannt geworden. Die Dokumentation des Tanzprojekts der Berliner Philharmoniker mit 250 Jugendlichen war ein Kinohit. Jetzt hat sich der Regisseur ein weiteres Mal mit den Philharmonikern beschäftigt: Mit der Geschichte des weltberühmten Klangkörpers während des „Dritten Reichs“. Dass dieser bemerkenswerte Film, der die letzten noch lebenden Zeitzeugen zu Wort kommen lässt, seine Welturaufführung morgen in Findorff erlebt, ist dem internationalen Fernseh-Forum zu verdanken: Bereits zum vierten Mal veranstaltet Katrin Rabus, unterstützt von ARD, ZDF und Arte, unter dem Titel „The Look of the Sound“ in ihrer Galerie das mehrtägige Symposium.

Für das Publikum erwächst daraus die Möglichkeit, nicht nur die wichtigsten aktuellen Musikfilmproduktionen zu sehen, sondern auch mit 18 renommierten RegisseurInnen zu diskutieren. Neben filmästhetischen Komponenten geht es dabei um medienpolitische Voraussetzungen: Seit es Spartenkanäle gibt, werden anspruchsvolle Musikfilme zunehmend „ghettoisiert“. Wer will, kann Norbert Waldmann, den ARD-Musikkoordinator, auf die Dominanz des „Musikantenstadl“ oder die sinkenden Dokumentar-Etats ansprechen.

„Reichsorchester“ von Sánchez Lansch ist eines der raren Beispiele von anspruchsvollen Musikfilmen, die es, sogar vor Mitternacht, ins ARD-Hauptprogramm schaffen. Wobei wahrscheinlich auch der Interessensbonus in Bezug auf NS-Themen eine Rolle spielt. Andererseits brachte es selbst „Hitlers Hitparade“, mit dem die MacherInnen Oliver Axer und Susanne Benze einen bemerkenswert unmittelbaren Zugang zu den Erlebnis- und Vorstellungswelten der Nazis ermöglichten, auf nicht mehr als zwei „Arte“-Ausstrahlungen. Auf der Tagung ist zu besichtigen, wie zeitgenössische Unterhaltungsmusik mit Sequenzen aus Spiel- und Amateurfilmen, Werbung und Trickfilmen montiert wird, um der „verführerischen Komponente“ des „Dritten Reichs“ nachzuspüren. Konsequent verzichtet er auf moralische oder auch nur einordnende Off-Kommentare.

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung beschäftigt sich mit der zunehmenden technischen Konvergenz von Fernsehen und Internet. Schon bei der letztjährigen Tagung hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann die Frage aufgeworfen, ob der Musikfilm von Video-on-demand und DVD profitieren könne oder Musik nicht doch „abseits des Bildschirms“ ihre Zukunft habe.

Henning Bleyl

„The Look of the Sound“: Heute (ab 10 Uhr) bis Samstag in der Galerie Rabus, Plantage 13. „Reichsorchester“ morgen um 20 Uhr, „Hitlers Hitparade“ am Freitag um 11 Uhr.