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Archiv-Artikel

Der BND ist nicht ganz dicht

ANSCHLAG Auf der Baustelle des Nachrichtendienstes wurden Wasserhähne demontiert, durch das austretende Wasser entstand wohl ein Millionenschaden. Die Betroffenen schweigen weitgehend, wahrscheinlich wird der Vorfall nie geklärt werden. Die taz hat hingegen in alle Richtungen recherchiert

Das Leck im BND

■ Bei dem durch fünf abmontierte Hähne entstandenen Wasserschaden im Neubau des Bundesnachrichtendienstes (BND) wird Sabotage nicht ausgeschlossen. Der zentrale Sicherheitsbereich des Komplexes in Berlins Mitte ist wohl nicht betroffen. Ob es tatsächlich einen politischen Hintergrund gibt, war aber am Donnerstag offen. Die Ermittlungen der Polizei dauerten an.

■ Der Schaden entstand im Hauptgebäude sowie in Teilen des vorgelagerten Eingangsbereichs. Dort sind Büroräume der BND-Mitarbeiter und auch Besprechungsräume untergebracht. Mit dem Bau vertraute Experten vermuteten einen Sabotageakt. Welche Auswirkungen der Wasserschaden auf die weiteren Umzugspläne des deutschen Auslandsgeheimdienstes in seine neue Zentrale hat, war zunächst unklar. Auch die Höhe des Sachschadens blieb offen.

■ Nach Pfusch am Bau und Problemen mit dem Lüftungssystem hatte sich der für 2013 geplante Umzug mehrmals verzögert – er soll nun bis 2017 dauern. Auch die Kosten waren explodiert: Zunächst sollte die neue Zentrale mit 730 Millionen Euro zu Buche schlagen. Zuletzt ging das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung von 912,4 Millionen Euro Baukosten aus. Der BND rechnet inklusive Umzug mit Gesamtausgaben von 1,3 Milliarden Euro für den Standort Berlin.

■ Bei dem jüngsten Vorfall waren nach dpa-Informationen im Hauptgebäude, das einen großen Lichthof umschließt, im vierten, fünften und sechsten Stockwerk der Seitenflügel fünf Wasserhähne abmontiert worden. Dies geschah demnach in Putzmittelräumen. Von mehreren Seiten hieß es, als am Dienstag zu Wartungszwecken Leitungen durchspült worden seien, hätten sich Tausende Liter Wasser aus den betroffenen Stockwerken bis ins Erdgeschoss ergossen. (dpa)

Ein Bekenntnis zum Frauenkampftag

Vieles deutet darauf hin, dass es sich tatsächlich um einen Anschlag handelte und dieser von der bisher nicht in Erscheinung getretenen Gruppierung „Spionage ist auch weiblich“ verübt wurde. Dabei handelt es sich nach Informationen aus gewöhnlich gut unterrichteten KreisInnen um einen internationalen Zusammenschluss von queerfeministischen Agentinnen, die sich gegen das fast ausschließlich männlich geprägte Bild der Schlapphüte wenden, in dem Frauen bestenfalls als willige Verführte Platz finden.

Für diese Annahme spricht der Tatzeitpunkt: Wenige Tage vor dem Frauenkampftag am 8. März lässt sich perfekt eine Öffentlichkeit herstellen für die von der Gruppe kritisierte Schwanzfixierung der Branche. Zum anderen lässt sich der Tathergang in dieser Richtung interpretieren: Abmontiert wurden Wasserhähne, denen durchaus auch phallischer Charakter attestiert werden kann. Daraufhin musste der BND Wasser lassen.

Dass bisher kein Bekennerinnenschreiben der Gruppe eingetroffen ist, mag daran liegen, dass der Anschlag überraschend erfolgreich gewesen ist, also mehr Wasser austrat als erwartet, und das Schreiben weggespült hat. BIS

Alle Wege führen immer noch nach Moskau

Wer eins und eins zusammenzählen kann, wird schnell dahinterkommen, dass nur die Russen hinter dem Anschlag stecken können, genauer: Oberrusse Wladimir Putin. Die Fakten sprechen für sich: Der Chef des BND, Gerhard Schindler, ist bekennender Fallschirmjäger und Ausdauersportler – genau wie Putin. Zudem hat Letzterer das Ende des Kalten Krieges als KGB-Agent in Dresden verlebt. Dort leitete er vermutlich nicht nur die Operation „Lutsch“ (zu deutsch: Strahl), er spionierte wohl auch den Physiker Manfred von Ardenne aus, mit dessen Hilfe die Sowjets die Wasserstoffbombe entwickelten. Ein bisschen viel Zufall!

Auch Motive hat der Kremlchef reichlich: Gut möglich, dass sich der als notorischer Angeber bekannte Putin am Telefon verplappert hat und der BND brisantes Material über den Mord an Boris Nemzow auf Band hatte. Ein Wasserschaden, der Elektrik und Sicherheitstechnik zerstört, ist wohl die beste Methode, solche Beweise zu vernichten. Zudem konnte der KGB mit dem geheimdienstmäßig geplanten Einbruch nicht nur einen lästigen Konkurrenten lächerlich machen, sondern ihn nebenher auch noch gründlich verwanzen. So merkte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz am Donnerstag gegenüber dem Tagesspiegel an: „Wenn Wasserhähne von Dieben unbemerkt ausgebaut werden können, fragt man sich, was andere Geheimdienste dort unbemerkt einbauen können.“ Der Mann muss es wissen: Er ist Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.  SUM

Klandestin und damit klassisch autonom

NSA, Five Eyes, M16, GRU? Warum in die Ferne schweifen, wenn die Lösung so nah ist. Tatort und Vorgehensweise tragen die Handschrift der Autonomen. Handschrift im übertragenen Sinn. Die in kleinen Einheiten operierenden Gruppen hinterlassen bei ihren klandestinen Nacht-und-Nebel-Aktionen eben gerade keine Fingerabdrücke. Das Tatmotiv ist klar. Der BND ist für gestandene Autonomen das Synonym für Überwachung, Verfolgung und Unterdrückung. „Weg mit der Einmischungsbehörde und Völkermordzentrale!“, lautet die Forderung. Dazu kommt: Der Festungsbau an der Chausseestraße steht für eine rasante Aufwertung der Gegend mit den bekannten Begleiterscheinungen. Auch linksalternative Strukturen werden dabei zerschlagen. Noch Fragen? PLU

Wasser, Wasser, Wasserbetriebe

Seit Jahren schon weisen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) darauf hin, dass der Wasserverbrauch in der Stadt seit der Wende stark zurückgegangen ist. Damit die Rohre aber gut durchspült werden, ist ein gewisser Verbrauch notwendig. Was spricht gegen die Theorie, dass patriotisch gesinnte Mitarbeiter der BWB auf diesen Umstand mit einem Fanal hinweisen und gleichzeitig demonstrieren wollten, wie schlecht die BND-Baustelle gesichert ist?

Die Wasserbetriebe dürften über gute Informationen verfügen, wo der BND die städtische Wasserversorgung anzapft. Womöglich konnten der oder die Täter durch diese Kanäle auch völlig unbemerkt ins Gebäude gelangen, jenseits aller Sicherheitsschleusen: Offenbar wurden die Wasserhähne ja Dienstag früh abmontiert, der Schaden allerdings erst am Nachmittag bemerkt. Zu diesem Zeitpunkt waren nach Expertenschätzungen bereits Zehntausende Liter Wasser ins Gebäude geflossen.

In Wasserkreisen wird dennoch nicht erwartet, dass sich jemand zu der Tat bekennt – der Hintergrund sei ja klar wie sauberstes Berliner Wasser. BIS

Der Feind sitzt bequem im eigenen Haus

Dass bisher kein Bekennerschreiben eingetroffen ist, mag daran liegen, dass der Anschlag überraschend erfolgreich gewesen ist, also mehr Wasser austrat als erwartet, und das Schreiben weggespült hat

Von jeher gilt es bei der Aufdeckung von Verschwörungen zwei Fragen umfassend und logisch stringent zu beantworten. Cui bono (Wem nützt es)? Und: Wer kann es? In Sachen BND-Watergate lassen die Antworten auf beides nur einen Schluss zu: Der BND selbst war die „undichte Stelle“, wie die Bild am Donnerstag titelte. Es handelt sich um einen klassischen inside job.

Zur Beweisführung: Rings um das Gelände an der Chausseestraße registrieren topmoderne Kameras jeden Flohhuster, und Sicherheitsleute (vom Geheimdienst zur Sicherheit durchgecheckt) patrouillieren Tag und Nacht ums Karree. Fazit: Niemand hatte Zutritt zu Deutschlands allersicherster Baustelle – außer dem Bauherren selbst. Und natürlich die Bauarbeiter und Sicherheitsleute. Nur: Die haben kein Motiv.

Wer eins hat, ergibt sich zwingend aus der Antwort auf die Frage: Wem nützt die Flutung der BND-Zentrale? Fakt ist: Die Pullacher wollen nicht nach Berlin. Seit Jahren tun die bayerischen Patrioten alles, um die Fertigstellung des Neubaus, ursprünglich für 2013 geplant, zu hintertreiben. Erst gab es Pfusch am Bau, dann Probleme mit dem Lüftungssystem. Der Wasserschaden ist nur das letzte Glied in einer langen Indizienkette. Hinzu kommt, dass die Schnüffler dringend ein paar Akten verschwinden lassen mussten: Schließlich wurde gerade erst bekannt, dass der BND dem NSA-Untersuchungsausschuss mehr als hundert wichtige Dokumente vorenthalten hat. Natürlich geschah dies nur „aufgrund eines Versehens“, wie die Bundesregierung dem Ausschuss laut Spiegel schrieb. Aber wundert es jemanden, wenn eben diese Akten nun, rein zufällig, in der Flut untergegangen sind? Eben! SUM

Es ist immer das Geld, das zählt

Die Bauarbeiter haben kein Motiv? Bitte! Erstens haben nur sie unbemerkten Zugang zum Gelände und zweitens auch die Expertise. Mit ihrer Aktion wollen sie darauf aufmerksam machen, dass ihre rumänischen Kollegen der Mall of Berlin immer noch nicht vollständig bezahlt wurden. Auch gleich eine Warnung an ihre Arbeitgeber. Bei Ebay werden die ersten Wasserhähne momentan bis zu 54 Euro gehandelt. Die restlichen kursieren inzwischen schon auf dem russischen Schwarzmarkt. Aufgrund des Glaubens der Russen, dass das Wasser direkt aus den Hähnen kommt und man somit eine ewige Quelle in der Tasche trägt, sind die Wasserhähne dort aber um einiges teurer. MTH