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Archiv-Artikel

„Offener kommunizieren“

Die zwei neu gewählten Vizepräsidenten des FC St. Pauli, der Personalberater Bernd-Georg Spies und der Anwalt Gernot Stenger, über den Spagat zwischen Fankultur und Kommerzialisierung

BERND-GEORG SPIES, 52, ist Partner bei der Personalberatung Russell Reynolds Associates. Seit 1986 St. Pauli-Fan, Mitglied der Radsportabteilung. GERNOT STENGER, 50, ist Partner der Wirtschaftskanzlei Alpers & Stenger, lebt seit 1988 in Hamburg. Hat beim Stadionneubau mitgearbeitet.

Interview MARCO CARINI

taz: Herr Spies, Herr Stenger: Was reizt Sie daran, den FC St. Pauli mit zu führen?

Bernd-Georg Spies: Im Verein sind in den vergangenen Jahren viele Dinge auf den Weg gebracht worden. Jetzt geht es darum, im Team die Strukturen des Vereins wetterfest zu machen. Es geht mir darum, mit Fingerspitzengefühl die Organisationsstrukturen im Club auf den Prüfstand zu stellen und dafür zu sorgen, dass sie noch professioneller werden.

Gernot Stenger: Wir brauchen viele Leute in der Führungsspitze, die dazu beitragen, die wirtschaftlichen Potenziale des Vereins noch besser auszuschöpfen. Mit dem Stadionausbau werden wir weitere Fangruppen erschließen. Gleichzeitig haben wir etwa bei der Frage, wie der Besuch des Stadions familienfreundlicher gestaltet werden kann, enormen Nachholbedarf.

Wie wollen Sie verhindern, dass sich eine Schlammschlacht zwischen Präsidium und Aufsichtsrat, wie wir sie Anfang des Jahres erlebt haben, in Ihrer Amtszeit wiederholt?

Stenger: Wir müssen wesentlich offener kommunizieren als in der Vergangenheit. Das ist Teil meiner persönlichen Einstellung und meines Berufes. Wir wurden damals als Moderatoren gerufen, hatten aber zu wenig Zeit, den Konflikt beizulegen.

Spies: Der Streit lag nicht in der Sache, sondern in Kommunikationsdefiziten zwischen den Gremien. Alle Beteiligten hatten große Sorge wegen der wirtschaftlichen Risiken des Stadionneubaus und der eigenen persönlichen Haftung, die damit einhergeht. Inzwischen hat sich die finanzielle Situation durch den Aufstieg verbessert und die Südtribüne kann in Teilen genutzt werden. Mein Ziel ist es, die Situation weiter zu entspannen und in ruhigere Fahrwasser zu bringen.

Wie stehen Sie zum Thema Ausgliederung der Profiabteilung?

Stenger: Es kann sein, dass es in absehbarer Zeit nicht mehr geduldet wird, dass die Profiabteilung Bestandteil eines gemeinnützigen Vereins ist. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Wir brauchen eine Lösung, unter der die Fankultur nicht leidet und werden uns dabei an Vereinen wie Werder Bremen orientieren.

Spies: Als Präsidium müssen wir Konzepte entwickeln, das Vereinsvermögen der Amateurabteilungen schützen, wenn im Profibereich wirtschaftliche Unwägbarkeiten durchschlagen.

Kann das Besondere des Vereins in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung bewahrt werden?

Stenger: Wir müssen uns die Zeit nehmen, bei jeder wichtigen Frage in die Mitgliederschar und die Fangemeinde hineinzuhorchen und dann erst zu handeln. Wir müssen ein noch stärkeres Gefühl für das entwickeln, was diesen Club ausmacht.

Spies: Wir stehen vor der Aufgabe, als Präsidiumsmitglieder die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Ich glaube aber, dass das Präsidium in seiner neuen Zusammensetzung davor gefeit ist, nur noch Kommerzerwägungen Rechnung zu tragen. Dieses Team ist sich der Besonderheit des Clubs und seiner Fankultur bewusst.

Wo steht der FC St. Pauli 2010, wenn der Verein einhundert Jahre alt wird?

Stenger: Ich hoffe, in der ersten Liga. Ich träume davon, dass das Stadion bis dahin fertig sein wird. Die Vereinsstrukturen werden übersichtlicher sein, der Club wird mehr Mitglieder haben und das Image wird noch besser sein, was seine soziale Kompetenz angeht. Die Verzahnung zwischen Verein und Stadtteil wird noch enger sein.

Spies: Wir werden die kommerzielle Seite des Vereins weiterentwickelt haben. Die Fans gehen ins Stadion, weil sie hochkarätigen Fußball sehen wollen. Dabei den Spagat zu sozialen Aufgabe des Clubs auszutarieren, wird eine immerwährende Aufgabe bleiben. Als Mitherausgeber des Obdachlosenmagazins Hinz & Kunzt kann ich mir jede Menge Kooperationsmöglichkeiten mit dem Verein vorstellen. Wir müssen wirtschaftlich erfolgreich sein, ohne die soziale Verantwortung am Kleiderhaken abzugeben.

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