: Respekt, Frau Feldmarschallin
Ganz traditionsbewusst legt die Hamburgische Staatsoper in dieser Spielzeit einen Schwerpunkt auf die Werke von Richard Strauss. Nun hatte „Der Rosenkavalier“ Premiere: als traumhaft entrückte, und doch recht brav inszenierte Feier des Wohlklangs
Respekt, Frau Feldmarschallin. In die Jahre gekommen ist sie und hoch erfreut, dass der siebzehnjährige Octavian Lust auf sie hat. So erfreut, dass pausbäckige Engel über ihr kreisen. Es ist wie in einem Traum. Aber trotz aller Hormone bleibt die Feldmarschallin mit beiden Beinen auf dem Boden: Der Traum wird vergehen, prophezeit sie sich selbst, und Octavian wird sich eine Jüngere suchen. Die Feldmarschallin weiß das schon am Anfang der Geschichte. Und sie wird Recht behalten.
Wäre die Feldmarschallin nicht, würde Richard Strauss’ Oper „Der Rosenkavalier“ schnell ins Seichte driften. Es ist vor allem die Feldmarschallin, die Relevantes sagt, Sätze wie: „Die Zeit ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie. In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da rieselt sie, in meinen Schläfen fließt sie.“
Das mit der Zeit und dem Spiegel hat Regisseur Marco Arturo Marelli ernst genommen bei seiner Inszenierung des Rosenkavaliers, die am Sonntag an der Staatsoper Hamburg Premiere hatte. Zeit und Vergänglichkeit hat Marelli zu Leitmotiven des Abends gemacht: Auf der Bühne hängt ein riesiger Spiegel, der schräg in Richtung Zuschauerraum gekippt ist. Der Spiegel zeigt das Bühnengeschehen gleich nochmal, milchig entrückt, als sei es eine Erinnerung – eine recht farbige allerdings, nachdem die Paläste der Geschichte auf dem Bühnenboden aufgemalt und somit ausschließlich im Spiegel zu sehen sind.
Der Spiegel ist der Clou der Hamburger Inszenierung, neben dem punktgenauen Dirigat von Staatsoper-Intendantin Simone Young und der äußerst versierten Besetzung im Orchester und auf der Bühne. Im Gegensatz zur Musik aber reicht der Spiegel nicht, um den Abend über dreieinhalb Stunden hinweg zu tragen. Immerhin aber schafft er beständig Distanz zu der mitunter recht schlichten Geschichte.
Es geht um den geilen alten Baron Ochs, der die junge Sophie heiraten will. Sophie aber hat sich in Octavian verliebt, der nun versuchen muss, die Hochzeit zwischen Sophie und Ochs zu verhindern. Octavian schafft dies, indem er sich als Mädchen verkleidet, den lüsternen Ochs zum Zwecke des Beischlafs in eine Absteige lockt, sich in flagranti erwischen lässt und Ochs damit als Bräutigam unmöglich macht.
Bereits Richard Strauss’ Librettist Hugo von Hofmannsthal meinte die Geschichte nicht ganz ernst: „Ein halb imaginäres, halb reales Ganzes“ habe er entstehen lassen wollen. Hofmannsthal siedelte die Geschichte im Wien des 18. Jahrhunderts an, Regisseur Marelli inszenierte sie in dem Wien um 1910. Und das ganz konventionell: Die adeligen Herren tragen historische Fracks, die adeligen Damen historische Kleider.
Dass diese Welt am Vorabend des 1. Weltkriegs im Untergang begriffen ist, sieht man der Inszenierung kaum an. Da muss schon der überdimensionale Spiegel im dritten Akt Risse bekommen, um mitzuteilen, dass die Tage der süffigen Wiener Ordnung gezählt sind. Zumal Richard Strauss dem Stoff eine sanfte und leicht verstehbare musikalische Sprache angedeihen lies: Der Walzer und das schöne Dur spielen eine große Rolle in der Partitur, kompositorischen Wagemut entwickelt Strauss im „Rosenkavalier“ nicht.
Den gibt es dafür in Strauss’ Opern „Elektra“ und „Salome“, beide in dieser Spielzeit auch im Programm der hamburgischen Staatsoper. Die nämlich hat sich einen Strauss-Schwerpunkt vorgenommen, und das bedeutet: Neben „Elektra“, „Salome“ und „Der Rosenkavalier“ gibt es „Die Frau ohne Schatten“ und 2008 folgen „Arabella“ und „Daphne“. Aber warum ausgerechnet Strauss? „Die Pflege der Strauss-Werke hat an der Staatsoper Hamburg unter anderem durch Gustav Mahler, Wolfgang Swallisch und Horst Stein eine lange Tradition“, sagt Intendantin Simone Young. „Hieran möchte ich anschließen.“ Was ein bisschen nach Selbstbespiegelung klingt – der Vergangenheit wegen.
KLAUS IRLER
nächste Vorstellungen: 21. 11.,18 Uhr und 25. 11., 17 Uhr; Staatsoper Hamburg