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Archiv-Artikel

Fast brillant hinterm Deich

Seltene Niederlage: Die Kickers Emden haben gegen Wolfsburg verloren. Abgesehen davon hat aber kein ostfriesischer Verein es je so weit geschafft. Deshalb wollen sie bald ein neues Stadion bauen

Um die geplante Arena soll ein Deich gezogen werden. Nicht der Ems wegen. Sondern weil die Kicker halt so heißen

VON JAN ZIER

Emden, sagt der junge Mann aus Wolfsburg, ausgerechnet Emden. Darauf käme er ja gar nicht, klar. Schon gar nicht auf den Ballsportverein Kickers Emden – die „Deichkicker“, wie sie gemeinhin genannt werden. Eine Mannschaft, der das Fachblatt Kicker noch zu Saisonbeginn attestierte, „in der Breite nicht regionalligatauglich“ zu sein. Von höheren Weihen ganz zu schweigen. Ein „Risiko“ mithin, dieser Kader, „extrem dünn besetzt“. Einer, der jetzt schon mal für die zweite Fußball-Bundesliga plant. Vorsorglich.

Herbstmeister sind sie nun doch nicht geworden: der inoffizielle Titel ging am Ende zur Fortuna nach Düsseldorf, weil sich Emden am Samstag mit 1 : 2 den kleinen Wölfen geschlagen geben musste, dem Tabellenletzten der Regionalliga Nord. Eine seltene Niederlage. Aber richtig gefeiert hätten sie wohl ohnehin nicht in Emden. Es wäre allenfalls eine „schöne Momentaufnahme“ gewesen, sagt ihr Trainer Stefan Emmerling, ein Freund des Understatements. Von der zweiten Liga mag er nicht reden, und seine Mannen auch nicht. Lieber nur von der neuen Dritten.

In den acht Heimspielen der laufenden Saison ging – bis zu diesem Tage – nur eine einzige Partie verloren. Seit fünf Spielen waren die Kickers ungeschlagen. Seit Ende Oktober ist Emden Tabellenführer. Kein Verein aus Ostfriesland hat es je so weit geschafft. Und die Konkurrenz in der Regionalliga Nord ist groß, gleich fünf Bundesligateams haben hier ihre zweite Garde platziert: Bremen und Hamburg, auch Dortmund, dazu Cottbus und eben Wolfsburg. „In dieser Liga“, so Emmerling, „da kann jeder jeden schlagen.“

Und doch: Schon in der vergangenen Saison standen die Kickers – bis 2005 noch Oberligisten – kurz davor, in die Zweite Liga aufzusteigen. Zwei Punkte fehlten am Ende. Doch dann kündigte Trainer Marc Fascher seinen Vertrag, aus „persönlichen Gründen“, wie es heißt. Vor dem letzten Spiel der Saison haben sie ihn dann kurzerhand entlassen – weil er „treulos“ seine Mannschaft auf der Zielgeraden verlassen habe. Das Ende einer enttäuschten Liebe. Als im Juni sein Nachfolger Emmerling von Alemannia Aachen II kam, hatten gerade 15 Spieler den Verein verlassen. Mindestens drei, von denen sie beim Kicker sagen, ihr Verlust sei „kaum zu kompensieren“.

Nun aber gelten die Deichkicker schon wieder als „Überraschungsmannschaft“. Und planen eine neue Fußballarena. Das altehrwürdige Embdena-Stadion – weniger nach dem mittelalterlichen Stadtnamen als der Firma des hemdsärmligen Kickers-Präsidenten benannt – soll einem 20 Millionen Euro teuren Neubau mit 15.000 Plätzen weichen, der „Ostfriesland-Arena“. Eine reine Sportstätte. Keine Multifunktionsarena. Die ersten Entwürfe haben sie schon, gezeichnet von einem Ingenieurbüro aus dem friesischen Friedeburg.

Und sie erinnern mit ihrer wabenähnlichen Außenhaut verdächtig an die neue Spielstätte des FC Bayern in Fröttmaning. „Abgekupfert“ nennt das die Süddeutsche Zeitung, wenn auch mit wohlwollendem Unterton. Nur dass diese Version dann eben kickersblau beleuchtet würde, nicht rot, so wie das Vorbild. „Das wird der Arena den gewissen Wiedererkennungswert verleihen“, sagt Projekt-Koordinator Niels Andersson. 16 Logen sollen entstehen, auch eine Business-Loge. Rasenheizung gehört selbstverständlich dazu. Und ein kleiner Deich rund um das Stadion. Nicht der Ems wegen. Sondern weil die Kicker halt so heißen.

Das Geld dafür haben sie noch nicht beisammen, aber mit den schicken Entwürfen können sie jetzt viel besser sammeln gehen, sagen sie beim Förderverein „Stadion für Emden und Ostfriesland“. Die heimische Wirtschaft soll schon „positive Signale“ ausgesandt haben, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sowieso. Es ist ja Wahlkampf. Und vielleicht gibt ja auch die EU noch was dazu. Ostfriesland gilt schließlich als strukturschwach. Dann ist da ja noch der Kickers-Edelfan Otto „Blödel-Barde“ Waalkes, in den Achtzigern der Hauptsponsor. Geld gibt er derzeit keines, aber er überließ den Kickers zumindest seinen Ottifanten als Werbeträger. Kostenfrei. Und schon gab es gelbe Gummistiefel, den ostfriesenwitzgetreuen Fußballschuh eben, mit Ottifant drauf.

Im April 2008 ist in Emden jedenfalls Baubeginn, die schon marode Haupttribüne wird nach Saisonende abgerissen. Mit den offiziellen 7.200 Plätzen dürfen sie jedenfalls nicht in die Zweite Liga, 15.000 sind da das vorgeschriebene Minimum. Eigentlich passen ja 12.000 in das Embdena-Stadion, in den Neunzigern sollen sogar einmal 14.000 Menschen gekommen sein, aber der DFB sieht das anders.

Am Samstag kamen genau 3.229, das ist in etwa der Durchschnitt in dieser Saison. Vergangenes Jahr waren es noch gut 1.000 weniger. Aber da hatten sie in Emden auch noch einen Libero, und es heißt, der Fußball sei „zwar erfolgreich, aber nicht so schön anzusehen gewesen“. Das jedenfalls meint Emmerling, der früher mal bei Kaiserslautern, Wattenscheid und Duisburg beschäftigt war, als Profi weit über 300 Parteien bestritt. Jetzt lässt er in Emden das zeitgeistige 4-4-2-System spielen, doch noch immer finden sie eher über den Kampf zum Spiel, auch an diesem Samstag gegen Wolfsburg, brillieren weniger technisch, denn als Kollektiv. „Das geht auch gar nicht anders“, sagt Emmerling, „denn wir haben in Emden einen sehr tiefen Rasen ohne Drainage“. Und viel Regen. „Aber je länger wir in der Tabelle oben stehen“, sagt Rudolf Zedi, der Kapitän, „desto größer wird die Geilheit auf Erfolg“. Bislang endeten sechs ihrer zehn Saisonsiege mit einem 1 : 0.