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Archiv-Artikel

Format:B und Notic Nastic wissen: Was gut ist, braucht man nicht ändern

Electroclash war gestern. Aber das hat man von der Postmoderne ja auch gesagt, und die stört das ja auch nicht. Also gibt es weiter alles schön nebeneinander, und auch wenn die unartigen Kinder der Ehe zwischen Bollerbeats und Punkattitüde momentan auf den Tanzböden nicht den allergrößten Distinktionsgewinn versprechen, sorgen sie doch im Notfall immer noch für ein nettes Amüsement.

Da mag man es verzeihen, wenn Notic Nastic auf ihrem neuen Album „Fullscreen“ den eigenen Ansatz, der zwar schon ein wenig überholt scheint, doch noch weiter geduldig ausdifferenzieren. Früher rammelten ihre Songs noch voran, als gäbe es nicht mal eine After-Hour-Party. Die Beats signalisierten unmissverständlich: Lassen Sie mich durch. Dann traten sie einem, bevor man groß reagieren konnte, in den Arsch. Heute, und das ist doch ein Fortschritt, klopfen sie einem vorher freundlich auf die Schulter. Und treten einem erst dann in den Arsch.

Das funktioniert im Club bekanntlich ganz prima. Vor allem, weil das aus New York stammende und in Berlin lebende Duo eins der visuell anspruchsvolleren Entertainment-Konzepte verfolgt. Beleuchtete Masken und schicke Perücken, Tänzer und fantasievolle Verkleidungen sorgen für ein Alien-Image und allerhand Schauwerte. Zudem hat man sich geschickt mit einem Geheimnis umgeben, verschweigt Namen, verhüllt Gesichter und hat es so zu einem gewissen Kultstatus gebracht. Allerdings: Die mit solch einem konzeptionellen Auftreten verbundenen Erwartungen konnte das Debütalbum „It’s Dark But It’s Okay“ nicht einlösen. Auch dem Nachfolger fällt das schwer: „Fullscreen“ ist zwei, drei Tracks lang ein großer Spaß mit plakativ bollernden Beats, hysterischem Synthiegekreische und übersteuerten Parolen im Refrain. Dann aber fällt auf Albumlänge doch zunehmend ins Gewicht, dass die Einfallslosigkeit des musikalischen Ansatzes zu stark mit der überbordenden Fantasie des visuellen Auftritts kollidiert.

Format:B haben es da einfacher, weil ihre Musik grundsätzlich geringere Erwartungen zu befriedigen hat. Die beiden Berliner produzieren seit Jahr und Tag effektiv pumpende Tracks, die sich kaum um Genrezugehörigkeit scheren, aber dafür ihren Zweck erfüllen, also Tanzflächen zu befüllen. Das hat sich auch mit „Restless“ nicht geändert: Souverän beackern Franziskus Sell und Jakob Hildenbrand die breite Grauzone zwischen House und Techno, programmieren mal eher zweckgerichtete Monotonie wie das maschinenhafte „Oversexed“, adaptieren aber auch problemlos die aktuellen Erkenntnisse der Neo-Soul-Forschung wie in „Liquid“, für das jene Fran die Vocals beisteuerte, die vor zwei Jahren Oliver Koletzkis Hit „Hypnotized“ veredelte.

Grundsätzlich aber halten sich Format:B nicht mit solchen Schnörkeln auf. So stoisch ein Track wie „Piano Man“ dahintuckert, so stoisch reproduzieren die beiden gelernten Tontechniker historisch abgesicherte Tanzbodentricks. Was einmal gut war, muss heute ja nicht schlechter sein. Auch so eine Erkenntnis, die die Postmoderne hinterlassen hat. THOMAS WINKLER

■ Format:B: „Restless“ (Formatik/ Wordandsound), live: 10. 12., Horst Krzbrg; Notic Nastic: „Fullscreen“; (Notic Nastic/Shitkatapult), live: 9. 12., About Blank