: Manche sind gegen Gewalt, andere reden von Mord
DOKUMENTARFILM In Berlin ist heute „Unsere Kinder“ zu sehen, ein vor der Wende gedrehter Film über Rechtsextreme in der DDR
Die Kamera bewegt sich rückwärts in der Dämmerung durch den Prenzlauer Berg. Filmemacher Roland Steiner spricht aus dem Off: „Zuerst war es nur ein Gerücht: Skinheads, Neonazis rasen durch unsere Straßen.“ In gewisser Hinsicht ist das Gerücht, von dem der Dokumentarfilm „Unsere Kinder“ aus dem Jahr 1989 handelt, bis heute eines geblieben.
Schon der Titel dieses ersten und einzigen Films über rechtsradikale Jugendliche in der DDR spricht von einer Verdrängung, die Normalität herstellt, wo keine ist: „Unsere Kinder“ bezeichnet nicht ein Anderes der „bürgerlichen Mitte“, sondern einen Teil von ihr. Steiner bewegt sich durch die Jugendszenen Ost-Berlins. Er lässt Gruftis erzählen, die auf Friedhöfe gehen, weil das der einzige Ort ist, an dem man in sich gehen kann. Vor der Kamera beklagen sie Schikanen. Im Stadion brüllen Hooligans Hassparolen, überwinden den Zaun zwischen den Blöcken, den Steiner ironisch antifaschistischen Schutzwall nennt.
Ein paar Skins werden zu Haftstrafen verurteilt, weil sie eine Kneipe aufgemischt und sich mit den Rufen „Kommunistenschweine“ der Verhaftung widersetzt haben. Steiner liest den Brief eines der Angeklagten an seine Mutter vor. Frank, genannt „Schmutz“, schreibt davon, „dass sie uns doch selber so gemacht haben“.
Steiner hat keine Agenda, er ist ein Filmemacher auf der Suche. Skinheads wollen lieber Täter sein als Opfer, sagen sie. Sie provozieren den Staat mit Naziparolen, „weil es das radikalste ist, das antikommunistischste System, das es je gab“. Sie sind für die Einheit Deutschlands. Manche sind gegen Gewalt, manche finden die Idee völlig in Ordnung, dass die Ausländer in den Ofen sollen.
Höhepunkt des Films ist das Treffen Christa Wolfs mit zwei Skins. „Entspricht der Mensch nun Ihrem Feindbild?“, fragt der Skin die Autorin. Die antwortet: „Wissen Sie, ich bin ein komischer Mensch. Ich habe es mir mit den Feindbildern ganz abgewöhnt.“ Wolf hört zu und findet heraus, woher die Jungmänner ihre Identifikation mit den Nazis haben: von den Großvätern. Dann erklärt sie ihre Sicht der Dinge: Die Deutschen haben sich nach 1945 weder geschämt, noch haben sie getrauert. „Dafür haben sie festgehalten an dem, was sie damals glaubten gut finden zu müssen. Das ist eine Rechtfertigung, Leute! Eine Selbstrechtfertigung, und das übertragen sie jetzt auf euch. Überlegt doch mal, was da mit euch passiert!“ULRICH GUTMAIR
■ „Unsere Kinder“. Regie: Roland Steiner, DDR 1989, 88 Min., heute um 17.45 Uhr im Berliner Kino Babylon Mitte